Schoene, raetselhafte Becca
denn er war sich nicht sicher, ob er wahrheitsgemäß antworten konnte.
„Das mache ich gern. Betrachte es als meine persönliche Unterstützung der Polizei.“
Ohne seine Antwort abzuwarten, verschwand sie in der Küche. Er zog seinen Mantel aus und warf ihn über einen Stuhl. Sofort sprang Grunt auf den Sessel, von dem Trace aufgestanden war, als wäre es sein Lieblingsplatz.
„Du vermisst ihn wohl, Kumpel?“
Der mürrische Hund stieß einen Laut zwischen Winseln und Seufzen aus und schloss die Augen. Neugierig griff Trace nach dem Buch, das Becca gelesen hatte. Seine Augen wurden groß, als er den Titel sah.
Mit dem Gesetzestext ging er in die Küche und hielt ihn hoch. „Das ist genau die richtige Lektüre, um sich an einem Winterabend zu entspannen.“
Becca wollte ihm gerade Suppe auffüllen. Jetzt hielt sie mitten in der Bewegung inne. Ihre Verlegenheit war unübersehbar. „Ich hoffe, dass ich in den nächsten fünf Monaten in die Anwaltskammer von Idaho aufgenommen werde“, erklärte sie fast schuldbewusst. „Dafür muss ich mich allerdings noch in die Besonderheiten des Rechtssystems dieses Bundesstaates einarbeiten.“
Verblüfft starrte er sie an. Alles, was er über sie zu wissen glaubte, fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. „Du bist Anwältin?“
„Ja. Ich habe drei Jahre praktiziert. Aber für Idaho muss ich noch eine Spezialprüfung ablegen.“
„Wie kommt es, dass eine Anwältin aus Arizona in einer Kneipe in Pine Gulch kellnert?“
Sie starrte auf die Suppenschale, die vor ihr stand. „Das ist eine sehr lange Geschichte. Möchtest du etwas geriebenen Parmesankäse in deine Suppe?“
In seinem Beruf hatte Trace viel Erfahrung mit Menschen gesammelt, die seinen Fragen auswichen. Daher wusste er, dass Geduld mitunter der beste Weg war, mehr zu erfahren. „Ja, gern.“
Während der nächsten Minuten genoss er die köstliche Suppe.
Becca hatte das Baguette auf den Toaster gelegt und reichte ihm das warme Brot. Schließlich setzte sie sich auf die andere Seite des kleinen Tisches.
„Also, was steckt dahinter, Becca?“, fragte er schließlich.
Sie seufzte. „Nachdem mein … Großvater mir das Haus vermacht hatte, habe ich beschlossen, dass Gabi und mir ein Tapetenwechsel gut tun würde. Es war eine willkommene Gelegenheit. Mehr nicht.“
„ Das ist deine lange Geschichte?“
„Besser gesagt, die Zusammenfassung.“
Während er mit dem neuen Bild von ihr, das sich so unvermittelt ergeben hatte, klarzukommen versuchte, merkte er, dass er sie sich viel besser als Anwältin denn als Kellnerin vorstellen konnte. Becca hatte nie so recht ins Gulch gepasst.
Außerdem war ihm klar, dass mehr hinter Beccas Geschichte steckte als diese knappe Erklärung. „Und Gabis Vater? Wo ist sein Platz in diesem Bild?“
Sie schlug die Augen nieder. Hatte seine Frage sie erschreckt? Als sie ihn wieder anschaute, lächelte sie kühl. „Ich denke, er ist nicht mehr als eine Randfigur. In Gabis Leben spielt er schon seit Jahren keine Rolle mehr – wenn er es überhaupt je getan hat.“
Seltsamerweise erfreute ihn diese Auskunft. Was hatte das nun schon wieder zu bedeuten? „Willst du hier eine Kanzlei eröffnen?“
„Irgendwann mal, ja. Wenn ich genug Geld gespart habe. Ich muss noch ein paar Studienkredite zurückzahlen. Im Moment versuche ich, nicht noch mehr Schulden zu machen.“
Auch diese Auskunft stimmte ihn froh. Nicht die Tatsache, dass sie Schulden hatte – sie waren schließlich aus einem ehrenwerten Grund entstanden –, sondern dass sie eine Praxis in Pine Gulch eröffnen wollte.
„Und welches Fachgebiet?“
„In Phoenix habe ich mich auf Vertragsrecht spezialisiert. Vor allem Immobiliengeschäfte. Ich nehme an, dass ich in Pine Gulch mehr anbieten muss, wenn ich Klienten bekommen möchte.“
Es fiel ihm noch immer schwer, die Neuigkeiten zu verarbeiten. „Du hast gesagt, in Phoenix warst du spezialisiert auf Grundstücksrecht. Hast du für eine Firma gearbeitet, oder warst du selbstständig?“
„Ich war Teilhaberin in einer großen Firma.“
„Ist es dir schwergefallen, Phoenix zu verlassen? Du hattest doch bestimmt eine Menge Klienten.“
Sie sprang auf und ging zum Kamin, um einen Scheit nachzulegen. „Wir brauchten einen Neustart“, wiederholte sie mit fester Stimme.
Wieder spürte Trace, dass mehr hinter ihren Worten steckte. Ihr Gesichtsausdruck war angespannt. Irgendetwas verheimlichte sie ihm. Wie konnte er sie nur dazu bringen, sich ihm
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