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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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passen Sie mal auf, Mrs. Bender. Sie lassen sich von diesem bekloppten Theaterregisseur nicht erzählen, wer Sie sind. Verstanden?«
    Sie schaute in seine ruhigen, whiskeybraunen Augen und nickte.
    »Alles, was wir haben, ist diese Geschichte, die wir erzählen. Alles, was wir tun, all unsere Entscheidungen, Stärken, Schwächen, Beweggründe, unsere Vergangenheit und unser Charakter, was wir glauben – nichts davon ist real ; es gehört alles zu dieser Geschichte, die wir erzählen. Aber der springende Punkt ist: Es ist unsere verdammte Geschichte!«
    Debra errötete angesichts seiner Erregung; sie wusste, dass da vor allem der Rum aus ihm sprach, doch wie so oft bei Alvis’ Alkoholtiraden waren seine Worte auch nicht ganz ohne Sinn.
    »Deine Eltern können dir deine Geschichte nicht erzählen. Deine Schwestern nicht. Auch Pat nicht, wenn er mal alt genug ist. Ich bin dein Mann, aber selbst ich kann sie dir nicht erzählen. Egal, wie liebeskrank dieser Regisseur ist, er erzählt sie nicht. Nicht einmal dieser blöde Richard Burton erzählt dir deine Geschichte!«
    Nervös und leicht bestürzt schaute sich Debra um; diesen Namen erwähnten sie sonst nie – nicht einmal, wenn sie davon redeten, ob sie Pat irgendwann die Wahrheit sagen sollten.
    »Niemand kann dir erzählen, was dein Leben bedeutet! Verstehst du?«
    Sie küsste ihn fest auf den Mund, aus Dankbarkeit, aber auch, weil sie ihn zum Schweigen bringen wollte. Als sie sich wieder von ihm löste, wartete auf beide schon der nächste Mai Tai. Die Liebe meines Lebens? Und wenn Alvis recht hatte? Wenn das die Geschichte ihres Lebens war? Klar, warum nicht.
    Zitternd stand Dee vor der offenen Tür ihres Corvair und starrte hinauf zur Space Needle, als Alvis hinters Steuer glitt. »Dann sehen wir doch mal nach, wo das Problem ist.« Natürlich sprang das Auto sofort an. Mit einem Achselzucken blickte er zu ihr auf. »Was soll ich sagen? Bist du sicher, dass du den Schlüssel ganz umgedreht hast?«
    Sie legte einen Finger an die Lippe und mimte Marilyn Monroe: »Gosh, Mister Mechanic, niemand hat mir gesagt, dass man den Schlüssel umdrehen muss.«
    »Klettern Sie doch mit mir auf die Rückbank, Ma’am, dann führe ich Ihnen noch eine weitere Besonderheit dieses schönen Modells vor.«
    Sie beugte sich vor und küsste ihn. Seine Hand fand die Knopfleiste ihres Kleides, schnipste einen Knopf auf und glitt hinein, über den Bauch und die Hüfte, bis sich sein Daumen unter den Bund ihrer Strumpfhose hakte. Sie löste sich und fasste nach seiner Hand. »Hey, du bist aber ein schneller Mechaniker.«
    Er stieg aus und gab ihr einen langen Kuss, eine Hand in ihrem Nacken, die andere auf ihrer Hüfte. »Komm schon, nur zehn Minuten auf der Rückbank! Die jungen Leute machen das alle.«
    »Und was ist mit der Babysitterin?«
    »Warum nicht? Ich bin dabei. Meinst du, wir können sie überreden?«
    Sie wusste, dass dieser Witz kommen würde, und trotzdem musste sie lachen. Bei Alvis wusste sie fast immer, was als Nächstes kam, und trotzdem lachte sie.
    »Die verlangt bestimmt vier Dollar pro Stunde dafür«, mahnte Debra.
    Alvis hatte sie immer noch in den Armen und seufzte schwer. »Baby, es ist unglaublich sexy, wenn du Witze machst.« Mit geschlossenen Augen legte er den Kopf in den Nacken und lächelte so breit, wie es sein schmales Gesicht erlaubte. »Manchmal wünsche ich mir, wir wären nicht verheiratet, damit ich dich noch mal fragen kann.«
    »Du kannst mich jederzeit fragen.«
    »Und dabei riskieren, dass du Nein sagst?« Nach einem letzten Kuss trat er zurück und verneigte sich mit schwungvoller Gebärde. »Dein Streitwagen.« Sie knickste und stieg in den Corvair. Er schob die Tür zu und blieb stehen, um von oben ins Auto zu blicken. Sie schaltete die Scheibenwischer an, und ein Stück feuchter Schlick schoss über den Wagenrand hinaus und knapp an Alvis vorbei.
    Er hüpfte zur Seite, und sie beobachtete lächelnd, wie er zu seinem Auto stakste.
    Sie fühlte sich ein wenig besser, aber es war ihr immer noch ein Rätsel, weshalb Rons Äußerung sie so getroffen hatte. War er einfach nur ein geiler Bock? Oder hatten seine Worte einen wunden Punkt berührt? Die Liebe deines Lebens. Vielleicht nicht unbedingt. Aber es musste nicht so sein. Konnte sie ihre Kleinmädchenfantasien nicht hinter sich lassen? Konnte die Liebe nicht sanfter, kleiner, stiller und weniger verzehrend sein? Hatte sie Schuldgefühle bei Rons Vorwürfen (Du benutzt die Menschen) , weil

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