Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
warum.«
»Habe ich Michelle gleich gesagt«, rief Lunke aus, »dass du ihr aus dem Weg gehen würdest … Na ja, bis später, Babe.« Dann stieß er sie in die Seite und rannte in den Wald zurück.
Kim spürte, wie ihre Laune sich schlagartig verdüsterte. Sie konnte diese Michelle nicht ausstehen. Vielleicht hatte Che doch recht. Sie, die weißen Schweine, waren viel klüger als die schwarzen.
9
Der Regen hatte endgültig aufgehört, doch mit jedem Schritt in Richtung Wiese verschlechterte sich ihre Stimmung. Wenn Kim es recht bedachte, hatte sie sich noch nie so allein gefühlt. Nicht einmal, als sie von diesem Transporter geflohen war und sich in einem Gebüsch versteckt hatte. Da hatte sie immerhin das Gefühl gehabt, davongekommen zu sein. Doch nun hatte Lunke sie verraten, von Che und den anderen gar nicht zu reden – die wollten sie sogar verbannen.
Als sie vor dem Durchschlupf stand und auf die Wiese blickte, sah sie Che dort stehen, den Blick auf sie gerichtet. Offenbar hatte er auf sie gewartet. Cecile trottete neben Brunst her, der mit dem Rüssel über der Erde nach Nahrung suchte. Doktor Pik lag unter seinem Apfelbaum und träumte sich weit weg. Wie oft hatte sie dieses Bild schon gesehen?
Che schnaubte verächtlich, dann wandte er sich ab.
Nein, sie würde nicht zu Kreuze kriechen. Sie würde abhauen, irgendwohin. Etwas anderes als diese Ödnis würde sie bestimmt finden.
Mit Lunke war sie einmal im Dorf gewesen, hinter dem Dorf ging die Welt weiter. So viel war sicher.
Sie schlug den Weg zur Straße ein. Stolz trabte sie dahin. Sie musste nur den Kopf in die Höhe recken, sagte sie sich, dann würde sie die Welt ganz anders sehen und klüger und stärker wirken, doch auf einmal kam ein dunkler Wagen mit offenem Verdeck die Straße hinuntergerast. Hinter dem Steuer saß ein Mann mit langen dunklen Haaren, den sie zuerst für den mürrischen Polizisten hielt. Beherzt machte sie einen Sprung ins Dickicht und hörte, wie der Motor aufheulte, beinahe so, als wollte er ihr Angst einjagen. Nein, die Straße war noch nichts für sie. Besser, sie schlug sich unauffällig im Gebüsch durch. Schließlich musste nicht jeder gleich wissen, dass sie auf Wanderschaft gegangen war.
Die Sonne färbte den Himmel glutrot. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen. Und dann?
Wieder reckte sie den Kopf. Auf keinen Fall wollte sie sich entmutigen lassen. Sie würde einen Weg finden, niemals mehr auf die Wiese zurückkehren zu müssen. Hatte Doktor Pik nicht einmal erklärt, dass es Menschen gab, die Schweine liebten, weil Schweine für sie Glück und Wohlstand bedeuteten? So einen Menschen musste sie finden. Sie brauchte ja nicht viel, ein wenig Stroh, hin und wieder ein paar Kartoffelschalen und ein Stück Wiese.
Aber was war, wenn sie einem Schlächter in die Hände fiele?
Am besten würde sie es wie früher Doktor Pik machen: Kunststücke vorführen, die alle Menschen begeistern. Er war in seinem Wanderzirkus hoch angesehen gewesen und hatte das schönste Futter bekommen.
Kim hielt auf einer kleinen Lichtung inne. Sie spürte, dass sie vom vielen Laufen schon ein wenig außer Atem geraten war. Wie weit war sie nun wohl schon von der Wiese entfernt? Che würde sich wundern, wo sie abgeblieben war – ihn würde es besonders ärgern, wenn er ihr keine bösen Blicke mehr zuwerfen konnte. Dabei liebte er sie angeblich.
Als sie ein wenig verschnauft hatte, versuchte sie sich ein Kunststück auszudenken, mit dem sie in einem Zirkus auftreten konnte. Was beherrschte sie besonders gut? Mit den Augen rollen? Nein, das ginge wohl nicht als Kunststück durch. Auf die Hinterläufe stellen und die Vorderläufe hochrecken? Sie versuchte es, bekam aber kaum ihre Klauen vom Boden. Vielleicht sollte sie lieber singen? Sie stieß drei, vier schwungvolle Grunzer aus, die ein paar Vögel krächzend aus einem Baum aufsteigen ließen. Na, vielleicht war Singen auch nicht das Richtige.
Dann dachte sie plötzlich an Dörthe. Im frühen Sommer, als ihr Bauch wegen des Kindes noch nicht so dick gewesen war, hatte sie manchmal eine Matte auf die Steine im Hof gelegt und sich selbst Kunststücke vorgeführt. Sie hatte ihre Arme gestreckt, ihren Rücken zurückgebogen und andere Verrenkungen angestellt, die zumindest merkwürdig ausgesehen hatten. Wie hatte sie Deng gegenüber diese Kunststücke genannt? »Ich mache Yoga«, hatte Dörthe gesagt. »Solltest du auch mal probieren.« Doch Deng hatte nur gekichert und einen seiner
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