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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Herr Proust, seinen Dollar im Nachbargeschäft zu opfern, und zwar für eine Unze Pfeifentabak der Marke Fröhlicher Seemann, ein paar Minzdrops und ein Exemplar der Zeitschrift  Neuer Krempel.  Und nachdem Herrn Nikkei Peilwert die Sache erklärt worden war, nahm er den Schein an und ging damit quer über die Straße zu Herrn Rollkutscher, dem Fleischer, der ihn, nachdem man ein offenes Wort mit ihm gesprochen hatte, misstrauisch als Bezahlung für ein paar Würste einschließlich eines Knochens für Feucht annahm, beziehungsweise »für dein kleines Hündchen«. Allerdings war es recht wahrscheinlich, dass Herr Quengler noch nie einen echten Knochen gesehen hatte. Er umkreiste ihn vorsichtig und wartete darauf, dass er quietschte.
    Die Zehntes-Ei-Straße war eine Straße der kleinen Händler, die kleine Dinge in kleinen Mengen für kleine Preise mit kleinem Gewinn verkauften. In einer solchen Straße musste man kleingeistig denken. Es war nicht der richtige Ort für große Ideen. Man musste auf Kleinigkeiten achten. Diese Männer hatten viel mehr mit Cents als mit Dollars zu tun.
    Einige andere Ladenbesitzer machten bereits Feierabend. Getrieben vom Instinkt der Ankh-Morporkianer für alles Interessante kamen die Händler herüberspaziert, um zu sehen, was los war. Alle kannten sich untereinander. Alle hatten ständig miteinander zu tun. Und alle kannten Feucht von Lipwig, den Mann im goldenen Anzug. Die Scheine wurden mit großer Sorgfalt untersucht und ausführlich diskutiert.
    »Eigentlich ist es doch nur ein Schuldschein.«
    »Schon klar, aber nimm mal an, du brauchst das Geld.«
    »Sag mir, wenn ich falsch liege, aber ist der Schuldschein nicht schon das Geld?«
    »Könnte sein. Aber wer schuldet es dir?«
    »Äh ... Jack, weil er ... Nein, Moment... es  ist  wirklich das Geld, richtig?«
    Feucht grinste, während die Diskussion hin und her schwappte. Hier wuchsen völlig neue Theorien des Geldes wie Pilze heran, im Dunkeln und auf Pferdescheiße. Aber dies waren die Männer, die jede Centmünze zählten und nachts mit der Kasse unter dem Kopfkissen schliefen. Sie wogen Mehl und Rosinen und Liebesperlen ab, den Blick konzentriert auf den Zeiger der Waage gerichtet, weil sie von winzigsten Gewinnspannen lebten. Wenn er sie von der Idee des Papiergeldes überzeugen konnte, hatte er es geschafft, dann war die Sache in Feuchts trockenen Tüchern.
    »Also glaubt ihr, dass sich dieses Geld durchsetzen könnte?«, fragte er während einer Gesprächspause.
    Die allgemeine Ansicht lautete, ja, die Scheine waren eine gute Idee, aber sie sollten »schicker« aussehen, oder mit den Worten von Nikkei Peilwert: »Du weißt schon, mit mehr schnörkeligen Buchstaben und solchen Sachen.«
    Feucht stimmte ihnen zu und schenkte jedem einen Schein als Souvenir. Sie hatten sie sich verdient.
    »Und wenn die Sache wie eine Wahoonie platzt«, sagte Herr Proust, »habt ihr ja immer noch das Gold, nicht wahr? Tief unten im Keller eingeschlossen?«
    »Oh ja, das Gold ist sehr wichtig«, sagte Herr Rollkutscher.
    Es folge ein allgemeines Raunen der Zustimmung, und Feucht spürte, wie ihm der Mut sank.
    »Aber ich dachte, wir alle wären uns einig gewesen, dass ihr das Gold gar nicht braucht«, sagte er. Eigentlich war davon gar nicht die Rede gewesen, aber einen Versuch war es wert.
    »Ja, gut, aber  irgendwo  muss es ja bleiben«, sagte Herr Rollkutscher.
    »Es sorgt für die Ehrlichkeit der Bank«, sagte Peilwert in jenem Tonfall polternder Selbstverständlichkeit, wie sie typisch für die kundigste Person dieser Welt ist, den Mann in der Kneipe.
    »Aber ich dachte, ihr hättet es verstanden«, sagte Feucht. »Das Gold ist gar nicht nötig!«
    »Richtig, Herr, richtig«, sagte Peilwert beschwichtigend. »Solange es einfach nur da ist.«
    »Äh, kannst du mir vielleicht sagen, warum es da sein muss?«, fragte Feucht.
    »Weil es für die Ehrlichkeit der Bank sorgt«, sagte Peilwert, der offenbar davon ausging, dass etwas durch Wiederholung wahr wurde. Und nachdem die Bemerkung von allen Seiten durch Nicken bestätigt wurde, drückte sie die Ansicht der gesamten Zehntes-Ei-Straße aus. Solange irgendwo das Gold war, war die Ehrlichkeit der Bank gesichert, und alles war in Ordnung. Feucht empfand tiefe Demut vor einem solchen Vertrauen. Wenn das Gold irgendwo war, würden Störche auch keine Frösche mehr fressen. Aber in Wirklichkeit gab es keine Macht der Welt, die die Ehrlichkeit einer Bank garantierte, wenn sie gar nicht ehrlich

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