Schöne Scheine
abspielen.«
»Sie versucht? Soll das heißen, dass sie lebt?«
»Aha! Das ist mal eine richtige Frage!«
»Aber ich wette, dass du auch darauf keine Antwort weißt.«
»Völlig richtig. Aber du musst zugeben, dass sie für eine Frage, die wir nicht beantworten können, eine sehr interessante Frage ist. Und hier haben wir auch schon den Fuß. Anhalten und kollabieren, bitte, Hex.«
Mit einer Abfolge krachender Geräusche falteten sich die Schubladen wieder zusammen, was allerdings viel schneller und weniger dramatisch ablief als zuvor. Danach sah der Schrank recht bescheiden, alt und etwas o-beinig aus. Die Füße waren wie kleine Tatzen gestaltet, eine Marotte von Möbeltischlern, über die sich Feucht schon immer ein wenig geärgert hatte. Glaubten sie, dass die Dinger in der Nacht heimlich herumspazieren? Aber vielleicht tat es ein solcher Schrank wirklich.
Und nun waren die Türen der Kommode geöffnet. Darin lag ein Golemfuß, der gerade so hineinpasste.
Früher waren Golems sehr hübsch gewesen. Damals schienen sich die besten Bildhauer Mühe gegeben zu haben, mit den schönsten Statuen zu konkurrieren. Doch seitdem hatte es zu viele Pfuscher gegeben, die mit ungelenken Fingern kaum eine Schlange aus Ton formen konnten. Sie hatten festgestellt, dass die Dinger genauso gut funktionierten, wenn man das Zeug bloß in die Form großer ungehobelter Lebkuchenmänner knetete.
Dieser Fuß war einer vom früheren Typ. Er bestand aus Ton, der wie weißes Porzellan war, mit winzigen erhabenen Mustern in Gelb, Schwarz und Rot verziert. Auf dem kleinen Messingschild davor stand auf Überwaldisch: »Golemfuß aus Ähm, Mittlere Epoche.«
»Aha! Wer diesen Schrank gebaut hat, stammt aus ...«
»Jeder, der dieses Schild betrachtet, sieht die Inschrift in seiner Muttersprache«, erklärte Ponder geduldig. »Die Muster scheinen darauf hinzudeuten, dass der Fuß tatsächlich aus der Stadt Ähm kommt, wie der verstorbene Professor Flett ausgeführt hat.«
»Ähm?«, sagte Feucht. »Ähm was? Wussten die Leute nicht genau, wie sie die Stadt nennen sollten?«
»Nur Ähm«, sagte Ponder. »Sie ist sehr alt. Etwa sechzigtausend Jahre, glaube ich. Irgendwann in der Tonzeit.«
»Die ersten Golemschöpfer«, sagte Adora Belle. Sie nahm den Beutel von der Schulter, öffnete ihn und wühlte im Stroh.
Feucht tippte gegen den Fuß. Er wirkte eierschalendünn.
»Es ist irgendeine Art von Keramik«, sagte Ponder. »Niemand weiß, wie sie das Zeug hergestellt haben. Die Ähmianer haben sogar Schiffe daraus gebrannt.«
»Waren sie tatsächlich benutzbar?«
»Bis zu einem gewissen Punkt«, sagte Ponder. »Auf jeden Fall wurde die Stadt beim ersten Krieg gegen die Eisriesen völlig verwüstet. Jetzt gibt es dort nichts mehr. Wir glauben, dass der Fuß schon vor sehr langer Zeit in die Kommode gelegt wurde.«
»Oder wird er vielleicht erst in der Zukunft ausgegraben?«, fragte Feucht.
»Das wäre natürlich durchaus möglich«, sagte Ponder ernsthaft.
»Wäre dieser Fall nicht etwas problematisch? Ich meine, kann sich der Fuß gleichzeitig unter der Erde und in der Kommode befinden?«
»Das, Herr Lipwig, ist eine ...«
»Falsche Frage?«
»Ja. Der Kasten existiert in zehn oder vielleicht elf Dimensionen. Das bedeutet, dass theoretisch alles möglich ist.«
»Warum nur elf Dimensionen?«
»Wir wissen es nicht«, sagte Ponder. »Es könnte sein, dass mehr einfach Unsinn wären.«
»Könntest du den Fuß bitte herausnehmen?«, sagte Adora Belle, die mittlerweile das Stroh von einem länglichen Paket abzupfte.
Ponder nickte, hob das Relikt mit großer Sorgfalt heraus und legte es behutsam auf die Werkbank hinter ihnen.
»Was wäre passiert, wenn du ihn fallen gelassen ...«, begann Feucht.
»Falsche Frage, Herr Lipwig!«
Adora Belle legte das Paket neben den Fuß und wickelte es vorsichtig aus. Es enthielt ein Stück eines Golemarms von etwa einem halben Meter Länge.
»Ich wusste es! Die Muster sind gleich!«, sagte sie. »Und auf meinem Stück sind noch viel mehr. Kannst du das übersetzen?«
»Ich? Nein«, sagte Ponder. »Die Geisteswissenschaften sind nicht mein Terrain«, fügte er hinzu, in einem Tonfall, der andeutete, dass sein Terrain ein viel besseres mit viel schöneren Blumen war. »Das wäre Professor Fletts Aufgabe.« »Du meinst den verstorbenen?«, fragte Feucht.
»Er ist
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