Schöne Zeit der jungen Liebe
beiden gut.«
»Im Ernst...?«
»Hör auf, komm jetzt, Mann.« Charles ging voran in sein Atelier und fegte mit einer Handbewegung alles, was auf den beiden tiefen Ledersesseln lag, zu Boden. »Setz dich. Ich trinke einen großen Kognak. Und du?«
»Ich glaube, ich auch.«
Charles goß ein, und beide lehnten sich zurück, die Beine weit ausgestreckt. Charles seufzte tief auf. »Ein Glück, daß wir Liz nicht aufgeweckt haben! Das erspart mir einige Erklärungen - heute abend jedenfalls.«
Schweigend tranken sie. Jocelyn betrachtete das Durcheinander von Landschaften, Aktzeichnungen, Farben, Staffeleien, Paletten und Rahmen. War vielleicht ein bißchen spießig von mir, dachte er, mich so aufzuregen wegen eines Kusses zwischen einem Künstler und seinem Modell. »Das gefällt mir«, sagte er dann.
»Welches? Die nackte Blonde? Ja. Interessanter Knochenbau. War Polizistin in Leicester.«
»Im Dienst dürfte sie anders ausgesehen haben. Aber ich meinte eigentlich das Seebild.«
»Das ist Skegness, ob du’s glaubst oder nicht. Gib dein Glas, ich gieße noch einmal ein. Also: Warum hast du mich auf die Nase geboxt?«
»Es war bestimmt Atavismus, Charles, ich sagte es schon.«
»Unsinn. Weil ich May geküßt habe, deshalb.«
Komisch, dachte Jocelyn, daß über Kognak so viel Unsinn geredet wurde. Ihn im Glas herumschwenken, die Blume genießen - alles reine Zeitverschwendung. Am größten war der Genuß, wenn man ihn hinunterstürzte. Da bekam man das ganze Aroma. Wie Feuer, durchdringend und kraftvoll.
»Gib dein Glas, ich gieße noch mal ein«, sagte Charles. Er schenkte ihm ein und lehnte sich zurück. »Weißt du, was ich täte, wenn ich mit May verheiratet wäre und ein anderer Mann würde sie küssen?«
»Nein...?«
»Ich würde meine Bergstiefel anziehen.« Er trank einen großen Schluck. »Dann würde ich ihn niederschlagen und auf ihm rum trampeln - aber fest.« Er sah seinen Freund nachdenklich an. »Du bist ein bißchen zu zaghaft, Jocelyn.«
»Kann sein«, sagte Jocelyn.
»Nun ja«, sagte Charles nachsichtig, »die Menschen sind verschieden. Trotzdem sollte man sich nicht allzuviel gefallen lassen.«
Jocelyn hob sein Glas und leerte es in einem Zug. Irgendwie, er wußte selbst nicht wieso, schien er bei diesem Gespräch auf die falsche Seite geraten zu sein.
»Gib dein Glas«, sagte Charles. »Und dann wollen wir mal anstoßen.« Er schenkte ein, hob sein Glas und sagte ruhig: »Auf deine anbetungswürdige Frau, mein Lieber.«
»Danke«, murmelte Jocelyn tief gerührt.
»Und auf den anbetungswürdigen Gast in deinem Haus, die Mutter der Erlkönigstochter.“
»Ist sie wirklich anbetungswürdig? May schien da anderer Ansicht zu sein.«
»Mein lieber Junge, sie ist superb. Sie hat alles: Schönheit, Würde, Wärme und ein fabelhaftes Auftreten. Aber wie alle Frauen, die was taugen, ist sie natürlich verheiratet.« Er seufzte tief. »Sag mir, wo die Mädchen sind
»Daddy! Mr. Pentecost!« rief eine erschrockene Stimme von der Tür her. »Was ist denn mit euch los?«
Es war Liz. Sie stand in einem rosa Morgenrock an der Tür, das Gesicht vom Schlaf gerötet, weich, jung und verletzlich.
Beide Männer standen auf, und jetzt sah Liz das Gesicht ihres Vaters. »Daddy! Was ist passiert? Was hast du da? War etwas mit dem Wagen...?« Sie hatte immer Angst, daß ihm bei seiner wilden Fahrweise noch einmal etwas passierte. Es war reines Glück, daß er noch nie einen Unfall gehabt hatte.
Charles breitete die Hände aus. »Komm, mein Liebes, setz dich zu uns. Ich bring dir einen Sherry.« Er räumte noch einen Stuhl leer.
Er setzte sich, noch immer besorgt. Er gab ihr das Glas und sagte: »Nun mach nicht so ein entsetztes Gesicht, Liz. Es ist ja nichts weiter. Unser Freund hier hat mich auf die Nase geschlagen. So etwas bringen zwei englische Gentlemen bei einem Glas Brandy innerhalb von fünf Minuten wieder in Ordnung, was, Jocelyn? «
»Nett von dir, es so auszudrücken«, sagte Jocelyn.
»Ja, aber - das ist doch schrecklich!« Sie sah Mr. Pentecost konsterniert an. »Ich - ich kann mir das gar nicht vorstellen... daß Sie so etwas
»Genau das habe ich ihm auch gerade gesagt«, meinte Charles. »Er nimmt so etwas viel zu leicht. Aber man kommt nicht gegen die eigene Natur an.«
»Nun, jedenfalls - du hast es auch verdient, Daddy!« sagte Liz und wandte sich wieder Jocelyn zu. »Wenn ich ein Mann wäre und Mrs. Pentecost wäre meine Frau und es käme ein anderer Mann und würde sie küssen
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