Schöne Zeit der jungen Liebe
gerade und sehr gefaßt in ihrem Sessel, die Hände auf den Knien. Sie trug ein einfaches, aber meisterhaft geschnittenes Kostüm. Ihre Augen blickten in die Feme und schienen weder das Zimmer noch die Menschen um sie herum wahrzunehmen.
May, immer noch bemüht, die schlimmsten Blutflecken zu verdecken, sagte: »Mrs. Haldt?«
Mrs. Haldt wandte langsam den Kopf, zog eine Augenbraue in die Höhe und sagte: »Ja, Mrs. Pentecost?«
»Es war sehr unrecht von meinem Sohn, Christine zu sagen, daß ich ein Au-pair-Mädchen suchte. Dafür möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Und auch dafür, daß ich leichtfertig annahm, Ihre Tochter sei mit Ihrem Einverständnis zu uns gekommen. Ich sehe, diese Annahme war falsch.«
Mrs. Haldt nickte und sagte: »Ich hatte keine Ahnung, wo meine Tochter war, bis ich diese Mitteilung bekam.« Und zu Amandas Entsetzen zog sie einen Brief aus der Handtasche und gab ihn May.
May las ihn unter Amandas bänglichen Blicken. May sagte: »Für meinen Sohn habe ich mich bereits entschuldigt. Nun muß ich mich auch für meine Tochter entschuldigen.«
»Nein, das ist nicht nötig«, erwiderte Mrs. Haldt. »Ihr verdanke ich ja, daß ich Christine gefunden habe.« Sie lächelte Amanda freundlich zu.
»Trotzdem möchte ich mich entschuldigen«, sagte May und warf ihrer Tochter einen Blick zu, den Amanda mit Recht als böse klassifizierte.
Christine kam wieder ins Zimmer und sagte auf deutsch ein paar Worte zu ihrer Mutter. Mrs. Haldt erhob sich und legte eine Hand auf Mays Arm. »Mrs. Pentecost, alle Entschuldigungen sind unnötig - es ist ja nichts Schlimmes geschehen. Und für mich war es ein interessanter Besuch. Und bitte, Mrs. Pentecost, schelten Sie nicht zu sehr mit Ihrer kleinen Tochter. Sie ist ein liebes Mädchen. Und sicher hat sie nur das Beste gewollt.«
»Ja, für sich das Beste«, erwiderte May. »Ich kenne meine Tochter.« Sie ging voran nach draußen. Mrs. Haldt glitt hinter ihr her, und als letzte, zornerfüllt, folgte Christine. Amanda blieb zurück. Es sprach einiges dafür, zu Bett zu gehen, ehe Mummy zurückkam, dachte sie. Entgehen konnte man ihr natürlich nicht - Mummy war wie der Zorn des Allmächtigen. Aber wenn sie so tat, als schliefe sie schon, kam sie vielleicht noch einmal davon. Bis morgen jedenfalls.
Draußen stand der Fahrer neben dem wartenden Taxi und hielt die Tür auf. »Mrs. Pentecost«, sagte Christine mit unsicherer Stimme, »Sie können sich bestimmt denken, wie mir zumute ist. Aber ich möchte Ihnen sehr danken für alles, auch für Ihre Geduld. Ich war kein sehr gutes Au-pair-Mädchen.«
May umarmte sie herzlich. »Leben Sie wohl, mein Kind. Und ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute
Sie spürte, was in Christine vorging.
Christine küßte sie und stieg in das Taxi. Mrs. Haldt streckte die Hand aus und sagte: »Leben Sie wohl, Mrs. Pentecost.«
May sagte nichts mehr. Das Taxi fuhr an. Sie blickte ihm nach und sah, wie die roten Schlußlichter aufleuchteten, als der Fahrer bremste und auf die Straße einbog. Dann entschwand der Wagen - und mit ihm jemand, den sie mit Erleichterung gehen sah: ein liebes, nettes und intelligentes Mädchen, gegen das absolut nichts zu sagen war, außer daß sie jung und reizend war.
Amanda hatte gerade noch Zeit, ins Bett zu schlüpfen, die Augen zu schließen, die Lippen zu öffnen und ein paar gleichmäßige Atemzüge zu tun, ehe ihre Mutter ins Zimmer kam.
May bebte noch vor Aufregung, und der Anblick des schlafenden Kindes mit dem leisen Lächeln um die Lippen war fast zuviel für sie, obwohl sie natürlich wußte, daß Amanda so wenig schlief wie sie selber. Am liebsten hätte sie sich hinausgeschlichen, um sich über ihre Gefühle klarzuwerden, bevor Jocelyn zurückkam. Aber Amanda etwas durchgehen zu lassen, das kam nicht in Frage. »Wo sind die anderen?« fragte sie laut.
Amanda seufzte tief auf, als hätte man sie rücksichtslos aus dem Schlaf gerissen. Aber nach einem Blick in das Gesicht ihrer Mutter wußte sie, daß Schauspielerei hier keinen Zweck hatte. »Opa ist im Bett, Daddy ist mit Mr. Bunting weggefahren, weißt du doch, und Gaylord wollte Spazierengehen. Er wollte Christine mitnehmen, aber sie wollte nicht. Ein Glück, sonst hätte ihre Mutter sie nicht so einfach mitnehmen können.«
Da May von Gaylords Weggehen nichts bemerkt hatte, kam nun ein weiterer beunruhigender Gedanke zu den vielen anderen. »Dann weiß also Gaylord noch gar nicht, daß Christine fort ist?« fragte
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