Schoener Schlaf
Schreckliches erlebt. Lassen Sie ihr Zeit«, erwiderte Sucher.
»Ja, ich habe von der Entführung gelesen. Aber das Bild ist eine Sensation â wir werden den besten Preis herausholen. Sagen Sie ihr das.«
»Ende nächster Woche wird die Ausstellung eröffnet. Ich hoffe, Sie dabei begrüÃen zu können«, erklärte Sucher. »Dann bekommen Sie Gelegenheit, selbst mit Frau Stern zu sprechen.«
»Den Vermeer halten Sie aber unter Verschluss, hoffe ich!«
»Es ist nicht vorgesehen, dass er in die Ausstellung geht«, sagte Sucher. »Wir hängen die Sache nicht an die groÃe Glocke. Die Polizei hat dazu geraten. Das Werk wird auf Spuren untersucht, die der Einbrecher hinterlassen haben könnte, und kommt dann in ein sicheres BankschlieÃfach.«
Goldstein war beruhigt. Jetzt musste er nur noch diese Frau Stern dazu kriegen, ihm das Bild zu überlassen. Nach der Jungen Frau am Virginal war dies der zweite Vermeer-Coup seiner Firma. Und dieser hier war ungleich gröÃer. Denn es zeigte vermutlich das einzige Selbstporträt des groÃen Malers!
*
Mit einem prüfenden Blick überflog Dr.  Manfred Sucher die Gesellschaft, die zur Eröffnung der Ausstellung erschienen war. Er registrierte die üblichen Medienvertreter und seine Mitarbeiter. Dann entdeckte er Henri Goldstein. Der kam mit wehendem Mantel durch die Tür und gab seine unförmige Aktentasche an der Garderobe ab.
Sucher freute sich über das volle Haus. Dies würde seine Show werden. Jahrelang hatte er nirgends mehr im Mittelpunkt gestanden, immer anderen den Vortritt gelassen, wenn es darum ging, Meriten einzuheimsen. Damit war jetzt Schluss.
Er wusste, dass seine Rede brillant war. Er würde die Menschen mitnehmen auf einen Weg in die goldene Zeit des 17.  Jahrhunderts, zu dem, was die Menschen damals dachten, sagten und fühlten, was sie schön fanden, wie sie ihre Probleme und ihren Alltag bewältigten.
Doch zuerst musste er Goldstein begrüÃen, der ihm fast wie ein alter Freund erschien. Sucher schritt die Treppe hinab. Er hatte sich heute besonders herausgeputzt, der Friseur hatte ihm Haar und Bart gerichet. Durch die inzwischen regelmäÃigen Bewegungen seiner Lenden hatte er ein wenig abgenommen, der Bauch war weg und überhaupt hatte er ein wunderbares Körpergefühl. Sein bester Anzug passte ihm wieder, er hatte sich ein neues Hemd gekauft und die Uhrkette poliert.
Als er über das Parkett lief, standen die Menschen in dichten Trauben um die Bilder herum. Auch Goldstein war an eine Wand herangetreten. Dort hing Osias Beerts Stillleben mit Austern, Konfekt und Früchten.
Sucher steuerte den Londoner Experten mit groÃen Schritten an. Zufällig blieben seine Augen an einer weiblichen Gestalt hängen, die ihm bekannt vorkam. Die Frau trug ein eng anliegendes schickes Kostüm mit kurzem Rock und hohe Stöckelschuhe. Ihr blondes Haar hatte sie unter einem eleganten Hut versteckt.
Jetzt drehte sie sich um. Sucher erkannte Dollys Gesicht. Sein Herz hüpfte vor Freude.
»Welche Ãberraschung«, sagte er und nahm ihre Hand. »Ich bin entzückt.«
Er küsste sie auf die Wange.
»Hoffentlich bist du mir nicht böse, weil ich gekommen bin«, sagte Dolly. »Oder bist du doch böse? Du guckst so komisch?«
»Ich bin nur etwas erstaunt«, entgegnete er. »Dieses tolle Kostüm. Ich kenne dich ja nur â anders gekleidet. Und die Brille auf deiner Nase ist mir auch neu.«
Beide lachten. »Kümmere dich um deine Gäste«, sagte sie. »Ich komme schon zurecht.«
Sucher strich ihr über die Wange und versprach, sie bald wieder aufzusuchen.
Goldstein hatte sich von dem Beert entfernt und betrachtete nun Steens Liebeskranke Frau. Ein ähnliches Motiv des Malers befand sich in der Alten Pinakothek in München, aber es war nur halb so schön wie dieses: In einer Stube fühlte ein Arzt den Puls einer rot gekleideten Frau mit weiÃer Haube, die in einer Hand einen Brief hielt. Wahrscheinlich handelte es sich um einen verbalen Korb, den die Arme kassiert hatte und der sie so krank machte, dass ein Arzt kommen musste. Das Bild war nicht frei von Komik.
»Herr Goldstein«, rief Sucher. »Ich freue mich, dass Sie hier sind.«
Auch der Mann aus London strahlte.
»Eine wunderbare Ausstellung«, lobte er. »Und vorzüglich präsentiert.«
»Danke, wir haben uns
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