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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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mich mit dem, was mir angesichts dessen, was ich als Markt für wissenschaftliche Ideen in meinem Sinn ansah, am meisten wünschenswert erschien. In anderen Fällen war es auch das, was mir am einfachsten vorkam, wenn ich eine spezielle Ressource mit einbezog, die in der einen oder anderen Ecke einer großen Institution verfügbar war.
    Für mich – und für die Wissenschaft – war es ein sehr glücklicher Umstand, dass der Physiker Richard Voss bald zu IBM kam. Als frischgebackener Doktor aus Berkeley zog er vor allem deshalb dorthin, weil ich darauf gedrängt hatte; er wurde ein wichtiger Verbündeter und ein guter Freund. Er ist ein freier und kreativer Kopf mit extrem weitgefassten Interessen und ein wahrer Meister im Umgang mit dem Computer. Andere Kollegen – sie brachten die eine oder andere Fertigkeit ein – kamen und gingen; die meisten blieben lediglich für ein oder zwei Jahre.

Trumbull-Dozent und Gastprofessor für angewandte Mathematik in Yale
    Als ich in Paris bei Philips arbeitete und an meiner Dissertation schrieb, verbrachte ein Statistiker namens Leonard »Jimmie« Savage (1917–1971) dort ein Freisemester. Zuvor war er an der University of Chicago gewesen – während der »Stein-Zeit«, als Marshall Stone ihr unbestrittener Boss war. Anschließend zog er nach Michigan und dann nach Yale weiter. Ich achtete ihn sehr für seine Stärke (er war fast blind) und seine breite Belesenheit. Beispielsweise war er derjenige, der die akademische Welt Amerikas auf die Dissertation Louis Bacheliers aus dem Jahr 1900 aufmerksam gemacht hat. Unsere aktuellen Interessen überschnitten sich jedoch kaum. Enge Freunde wurden wir nie, aber wir hielten Kontakt und trafen einander bei meinen ziemlich häufigen »nachbarlichen« Besuchen in Yale.
    Die alte Lawrence School of Science in Harvard hatte in Yale eine Entsprechung, die Sheffield Scientific School. Eines ihrer Gebäude war der mathematischen Fakultät zugewiesen worden, und der Rest wurde ständig umorganisiert. Es gab offene Stellen, und Savage meinte, für mich könne es ein guter Ort sein. Also kam ich, um mich prüfen zu lassen. 1970 begann das Frühjahrssemester mit drei überfüllten Trumbull-Vorlesungen; es wurde mit einem kurzen, als Seminar bezeichneten Kurs über meine verschiedenen Modelle der »Abnormität« in der realen Welt fortgesetzt. Viele Leute nahmen teil, und einige gaben zu erkennen, dass ihnen Aktivitäten dieser Art sehr fehlten. Es kam jedoch kein Angebot. Ohnehin hatte ich auch das Interesse verloren.
    Zu meiner Schande sei gestanden, dass die umfassende Stille Yales – im Gegensatz zu den unablässigen Geschehnissen am MIT – den Eindruck erweckte, da passiere nicht viel. Ich habe meine Meinung geändert – wenn auch erst 17 Jahre später.

In Paris: eine unvergessliche Vorlesung
    Am 16.Januar 1973 hielt ich am Collège de France in Paris eine Vorlesung – eine Gelegenheit, die kein Teilnehmer vergessen sollte. Es handelte sich um ein ganz besonderes Ereignis, weil Szolem in seiner Zeit als Professor dort eine völlig unberechtigte, übertriebene und irrationale Furcht davor gehabt hatte, auch nur den Anschein von Nepotismus zu erwecken. Erst nach seiner Emeritierung konnten seine ehemaligen Kollegen daran denken, mich einzuladen – was sie auch gleich taten.
    Ich sprach bei einem interdisziplinären Seminar, das zwei ältere Professoren an Samstagvormittagen gemeinsam veranstalteten. André Lichnerowicz (1915–1998), Professor für mathematische Physik, war berühmt für seine weitgefasste Neugier, seinen guten Geschmack und seine politischen Fähigkeiten. Aufgrund einer Krankheit war er bei meiner Dissertation nicht im Prüfungskomitee gesessen. François Perroux (1903–1987) war Professor für Wirtschaftswissenschaften. Als man den Aushang für das Schwarze Brett vorbereitete, meinte Perroux, die Zugehörigkeit bei IBM sei unwürdig und eine akademische Herkunft bei Weitem vorzuziehen. Die Wirtschaftsfakultät von Harvard wäre großartig gewesen, aber da gehörte ich nicht mehr zum Lehrkörper. Doch meine nominelle und unbezahlte Zugehörigkeit zum National Bureau of Economic Research hielt man dann für zufriedenstellend.
    Wie sich zeigte, war die Vorbereitung auf dieses Seminar mit großer Mühe verbunden. Ich war gezwungen, alles zusammenzutragen, was ich erreicht hatte, und es in einer Stunde darzustellen. Ein Sprung in die Zukunft: Diese Anstrengung war der Startschuss für mein Buch von 1975. Mehrere führende

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