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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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Stolz gereichen würde. Sie enthält viele kostbare alte Bücher und eine Menge Platz für weitere Sammlungen. Mittag-Leffler wollte Mathematik lehren, ohne in ein schwedisches Oxbridge [7] umziehen zu müssen, weshalb er einfach mit ein paar Freunden die denkbar privateste aller Universitäten stiftete – die Wurzel der heutigen Universität Stockholm. Außerdem schuf er mit Acta Mathematica eine eigene Zeitschrift.
    Das Mittag-Leffler-Institut beschränkt sich auf das Gebiet der mathematischen Analysis. Jedes Jahr (manchmal auch jedes Semester) greift es ein anderes Thema auf, und seine ruhmreichen Jahre erlebte es unter der Führung von Lennart Carleson, besonders in der Zeit mit seinem häufigen Koautor Peter Jones als Stellvertreter. Ein Thema muss mehrere Jahre im Voraus ausgewählt werden. Aufregend fand ich, dass drei der von ihnen gewählten Themen aus meiner Arbeit stammten. 1984 hatten sie die Mandelbrot-Menge ausgewählt, ehe sie zum letzten Schrei geworden war – in der Hoffnung, die Vermutung lösen zu können, wonach die Mandelbrot-Menge lokal verbunden sei; in der Folge wurde viel Mühe darauf verwandt, doch ohne Erfolg; … bis heute ist niemand in der Lage gewesen, sie zu beweisen. Meine 4/3-Vermutung über die Brown’sche Bewegung wurde ausgewählt, als die damit verknüpften Schwierigkeiten offensichtlich geworden waren und es den Anschein hatte, es könnte schneller eine Lösung gefunden werden, wenn man alle Betroffenen an einen Tisch brachte. Zufällig kam die Lösung noch vor der Konferenz, die sich dann mit den unmittelbaren Konsequenzen befassen konnte. Die dritte von meiner Arbeit inspirierte Tagung im Jahr 2002 befasste sich mit der Mathematik des Internets. Auch wenn Sie es noch nicht selbst erlebt haben, ein gewisser, nicht zu vernachlässigender Anteil der E-Mails geht verloren. Deshalb werden vielfache identische Botschaften verschickt, die eine Pest sind, doch der Absender will sichergehen – aus dem guten Grund, dass in der Technik alles finit ist. Die Art und Weise, in der Botschaften zusammengestellt, getrennt und sortiert werden, ist sehr kompliziert. Auch wenn Computer-Speicherplaz heute nicht mehr teuer ist, gibt es immer irgendwo einen Pufferspeicher von finiter Größe. Wenn eine große Nachricht hereinplatzt, sendet jeder jedem eine Botschaft, und der Speicher füllt sich … Und was geschieht mit den Botschaften? Sie sind weg – einfach den Bach runter.
    Zunächst glaubten die Fachleute, sie könnten eine alte, in den 1920er-Jahren für Telefonnetze entwickelte Theorie anwenden. Doch mit der Ausweitung des Internets fand man heraus, dass dieses Modell nicht funktionieren würde. Dann versuchten sie es mit einer meiner Entdeckungen aus der Mitte der 1960er-Jahre, doch auch die funktionierte nicht. Anschließend probierten sie es mit Multifraktalen, einer mathematischen Konstruktion, die ich Ende der 1960er- und bis in die 1970er-Jahre hinein eingeführt hatte. Multifraktale sind jene Art von Konzept, die von Mathematikern nur aus Freude an der Mathematik erschaffen worden sein könnten. Aber in Wahrheit gingen sie aus meiner Untersuchung der Turbulenz hervor und wurden von mir gleich darauf im Finanzwesen eingeführt. Um die neue Technik für das Internet zu prüfen, untersucht man seine Leistung unter multifraktaler Variabilität. Soweit ich das verstehe, ist das sogar ein ziemlich großes Geschäftsfeld.

25
Annus mirabilis in Harvard, die Mandelbrot-Menge und andere Ausflüge in die reine Mathematik
    Was ich im Frühjahr 1980 vollbrachte oder begann, ging weit über die kühnsten Träume hinaus, die ich als Heranwachsender unter fremder Besatzung erlebt hatte.

© Peter Moldave

    »Ich sehe, dass Sie wieder einen Stapel Computerbilder dabeihaben. Darf ich mal sehen? Hmm … die sagen mir absolut nichts. Wie kann man denn aus solchen Schlangenlinien überhaupt irgend eine Art von Mathematik ableiten? Kann dieses Spiel tatsächlich jene alte Theorie von Pierre Fatou und Gaston Julia und deren Iterationen rationaler Funktionen betreffen? Deren Zeit scheint doch lange vorbei zu sein.«
    Wann und wo habe ich solche Kommentare und Fragen erstmals gehört, und warum wurden sie gestellt? Es trifft zu, dass ich sie mein ganzes Leben lang zu hören bekam, doch im Frühjahrssemester 1980 vernahm ich sie besonders intensiv – jedes Mal, wenn ich mich den Fächern mit der eingehenden Post der Professoren näherte.
    Es war mein drittes einjähriges Gastspiel in Harvard, aber mein

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