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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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Höhepunkt finden.

Seltener Institutsdozent am MIT
    Harvard war out, doch Aliette und mir war das Leben in Cambridge – wie schon erwähnt – allmählich immer reizvoller erschienen. Rückblickend wäre es nicht die beste Entscheidung gewesen, dort zu bleiben, aber damals hätten wir es vorgezogen, nicht fortzugehen. Deshalb nahm ich den kurzen Weg zum MIT, den Generationen von in Harvard Abgelehnten vorgezeichnet hatten, und frischte eine alte Beziehung mit Jerome Wiesner wieder auf, der zu diesem Zeitpunkt am MIT Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät war.
    In kürzester Zeit gelang es ihm, mich dort als Institutsprofessor unterzubringen. Peter Elias (1923–2001), ein alter Freund von mir und Jerrys Nachfolger als Leiter der Elektrotechnik, kümmerte sich um den Papierkrieg. Dass es überhaupt möglich war, lag an seinem Geschick und der von ihm gepflegten institutionellen Flexibilität.
    Als Verkäufer war Jerry extrem schwach. »Hier ist ein Angebot, aber du solltest es nicht annehmen. Präsident Kennedy stammte aus Boston und war absolut pro Cambridge, deshalb ist Präsident Johnson absolut dagegen. Alle befürchten große Probleme bei der Finanzierung. Mehrere Fakultäten möchten dich gern hier sehen, aber jede erwartet, dass ein anderer dafür bezahlt. Du wärst der einzige Institutsprofessor ohne tief reichenden und starken Rückhalt, deshalb würde es für dich zunehmend schwerer werden, Mittel einzuwerben. Allgemeiner gesagt ist die Finanzierung der Naturwissenschaften in Gefahr. Glaube mir: Für jemanden wie dich ist das MIT der falsche und IBM der richtige Platz. Manny Piore wünscht sich Leute wie dich und hat weit mehr Spielraum als jede Universität. Du solltest mein Angebot ablehnen.« Zähneknirschend folgte ich Jerrys Rat.
    Dann fiel Jerry ein glanzvoller Präzedenzfall ein. Am MIT hatte man zwei Instituts-Gastprofessoren: Arthur Kantrowitz (1913–2008) und Edwin H. Land (1909–1991), der sich damals auf der Höhe seines Ruhms als Erfinder der Polaroid-Kamera, Wissenschaftler und einer der reichsten Männer der Welt befand. Keiner der beiden hatte ein Büro auf dem Campus, und ihre Berufungen waren nicht befristet.
    Wunderbar? Nein, zu schön, um wahr zu sein. Diese Möglichkeit wurde von einem besser informierten Neinsager weiter oben abgewürgt. Er verwies darauf, dass die Vergabe dieser Titel an Land und Kantrowitz auf heftiges Abwehrfeuer einer Gruppe von Aktivisten gestoßen sei – darunter auch Aliettes Cousin Leon Trilling. Man hatte schließlich zwar zugelassen, die bestehenden Instituts-Gastprofessuren beizubehalten, doch neue kamen nicht infrage.
    Abgekämpft verständigten wir uns darauf, meinen ruhmreichen Titel zu dem eines Instituts-Gastdozenten zu verwässern. IBM stimmte bereitwillig zu, und dieser völlig ungeplante Kompromiss sollte sich für viele Jahre als wundervolles und fruchtbares Arrangement erweisen. Ich unternahm einigermaßen regelmäßige einwöchige Besuche bei schwindelerregend vielfältigen Gruppen am MIT und/oder sonstwo im Gebiet Boston. Mehr oder weniger zufällige Treffen – oft so ähnlich wie mein erster Kontakt mit Houthakker – folgten ständig aufeinander und brachten einen außerordentlichen Strom neuer Gedanken und neuer Richtungen mit sich, die sofort innerhalb der IBM-Forschung erforscht werden konnten.
    Kurz, Chicago, Harvard und dann das MIT hatten mir die Ehre erwiesen, mich unterbringen zu wollen – es aber unterlassen. Den meisten Anstand zeigte dabei das grobe MIT, gefolgt vom aufstrebenden Chicago.
    Ich hatte an beiden Fällen meinen Anteil, weil ich ein wahrhaft kläglicher Politiker war, der lieber an eigenen Vorhaben als an Netzwerken arbeitete. Doch die Diskrepanz, die sich wiederholt zwischen mir und der akademischen Welt auftat, war nur natürlich. Für meine Arbeit hatte ich keinen einzigen griffigen Markennamen. Es sollten noch einmal zehn Jahre vergehen, bis ich das Wort »fraktal« prägte.
    Dass ich keine Wahl hatte, war frustrierend – dennoch steht es völlig außer Frage, dass ich nach meiner Rückkehr zu IBM wie am Fließband Arbeiten produzierte, von denen viele eine rasche Wirkung zeigten.

Die Glücksgöttin gegen das Durcheinander der Turbulenzen
    Robert Stewart aus Vancouver war ebenfalls Gastdozent in Harvard. Er war Experte für Turbulenz. In der Odyssee schildert Homer die Probleme des Odysseus bei seiner langen Seereise von Troja in seine Heimat Ithaka – und überall zwischen Skylla und Charybdis. Heute

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