Schönes Leben noch! (German Edition)
ungefähr einer Stunde hat Gracie angerufen. Ich habe ihr deine Büronummer gegeben. Hat sie dich noch erwischt, bevor du gegangen bist?“
„Nein“, meinte Jill. Sie war enttäuscht, dass sie den Anruf verpasst hatte. „Ich will es gleich mal bei ihr versuchen.“
Sie rannte die Treppe hinauf und ging in das kleine Gästezimmer, das sie ihr Eigen nannte. Nachdem sie ihren Hosenanzug gegen Shorts und T-Shirt getauscht hatte, sprang sie aufs Bett und schnappte sich das Telefon.
Dreißig Sekunden später hörte sie den Ansagetext von Gracies Anrufbeantworter und hinterließ eine Nachricht. Als sie auflegte, schloss sie für einen Moment die Augen. Sie wünschte sich, ihre Freundin wäre zu Hause gewesen und sie hätten ein wenig quatschen können. Sie brauchte den Kontakt. Binnen kürzester Zeit hatte sich so vieles verändert, dass es ihr vorkam, als geriete ihre Welt langsam außer Kontrolle. Gracie hatte ein Talent dafür, sie wieder auf den Boden zu holen.
„Dann eben morgen“, sagte Jill leise zu sich selbst und ging wieder nach unten.
Ihre Tante war in der Küche und bereitete einen Salat zu. „Komm, ich helfe dir“, sagte sie, während sie zur Spüle ging, um sich die Hände zu waschen. „Ich rieche Lasagne, und das bedeutet, dass du heute Nachmittag schwer geschuftet hast.“
„Ist Gracie nicht zu Hause?“
„Nein. Ich rufe sie morgen noch mal an. Aber erzähl doch mal: Wie war es heute mit Emily? Wie ist sie so?“
„Sie ist ein niedliches Mädchen. Vielleicht etwas verunsichert, weil sich in ihrem Leben so viel verändert hat.“
Jill trocknete sich die Hände mit einem Geschirrtuch ab, ging zur Kochinsel und nahm sich eine Gurke und ein Messer. „Mac macht sich Sorgen um ihr Verhältnis.“
Bev nickte. „Die letzten Monate hat sie bei ihrer Mutter gelebt. Es ist seltsam für sie, plötzlich bei ihrem Vater zu sein.“ Sie seufzte. „In diesem Kind steckt so viel Schmerz. Das kann ich spüren. Sie kleidet sich monochromatisch. Heute war alles lila. T-Shirt, Shorts, Socken, alles. Und sie isst nur Sachen, die farblich zu ihrer Kleidung passen.“
Jill starrte sie ungläubig an. „Was?“
Bevs grüne Augen funkelten. „Ich habe ein bisschen geschummelt. Ich hatte noch Beef Stew im Gefrierfach, das ich fürs Mittagessen aufgetaut habe. Während sie den Tisch gedeckt hat, habe ich einen Teil der Flüssigkeit mit Rübensaft gemischt und in eine weiße Schüssel gefüllt. Natürlich sah es total Lila aus. Dann habe ich Emily gefragt, ob die Farbe in Ordnung sei. Sie sagte Ja. Danach habe ich das Essen in farbigen Schälchen serviert, sodass sie nicht sehen konnte, dass es in Wirklichkeit gar nicht richtig lila war. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Brot neutral sei, das war also in Ordnung. Ach ja, und dann haben wir noch Ausstechplätzchen mit lilafarbenem Zuckerguss gemacht.“
„Ziemlich clever.“ Jill schnitt die Gurke in Scheiben. „Und abgesehen von dem Farbtick? Wie war sie?“
„Freundlich. Und ein bisschen traurig und durcheinander, aber herzensgut. Und auch klug. Wir haben ein wenig gelesen, und das kann sie schon erstaunlich gut.“
Jill warf die Gurkenscheiben in die Salatschüssel. „Du hast ihr doch nicht etwa Karten gelegt, oder?“
„Natürlich nicht. Sie ist ein Kind. Außerdem würde ich zuerst Mac fragen.“
„Dann ist ja gut.“ Sie konnte sich schon vorstellen, was er sagen würde, wenn sein Babysitter ihn um Erlaubnis fragen würde, seiner Tochter mithilfe von Tarotkarten die Zukunft vorherzusagen.
„Du wirst Emily heute Abend kennenlernen. Mac bringt sie in ein paar Minuten vorbei. Er hat einen Termin mit einem Sozialarbeiter.“ Sie seufzte. „Ich hoffe, er kriegt das hin.“
„Mac? Warum denn nicht?“
„Ich spüre eine Menge Schmerz“, meinte Bev, während sie die Flasche mit dem Dressing schüttelte. „Der Mann muss unbedingt geliebt werden.“
„Sieh mich nicht so an. Ich bin nicht interessiert.“ Jill lächelte. „Na gut, vielleicht bin ich ein kleines bisschen interessiert, aber nicht an etwas Ernstem. Können wir Liebe vielleicht durch Sex ersetzen? Dann wäre ich nämlich sofort dabei.“
Bevor Bev antworten konnte, klingelte das Telefon. Sie sah Jillan. „Das ist für dich.“
„Das machst du nur, um mir Angst einzujagen, oder?“ Sie ging hinüber zum Telefon und nahm ab. „Hallo?“
„Jill? Was ziehst du hier eigentlich für eine Sache ab, verdammt?“
Lyle. Sie rümpfte die Nase. „Von Höflichkeit hast du noch nie
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