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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Menschen auf der Bühne eilig hatten, nach Hause zu kommen, war an ihrem Spiel zu bemerken. «Zum ersten Mal», sagt France, «haben sie ihre Repliken genau so schnell gesprochen wie in den normalen Theatern.»
    Alle reden von der bevorstehenden deutschen Großoffensive.

188.
    Dienstag, 12. März 1918
    Rafael de Nogales hört am Jordan Kanonendonner
     
    Das Hauptquartier ist in einem großen Franziskanerkloster untergebracht. Die Stimmung ist gedrückt. Wird die Front östlich des Jordan halten? In der Ferne hört man das dumpfe Grollen britischen Sturmfeuers. Die Lage ist so kritisch geworden, dass die Offiziere und alles übrige Personal, das keine lebenswichtigen Aufgaben zu erfüllen hat, Befehl erhalten haben, ihre Waffen zu packen und sich zum Frontdienst zu melden. Auf Lastautos werden sie in Richtung des Kanonenlärms transportiert.
    Es ist vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für einen Höflichkeitsbesuch. Rafael de Nogales spürt es, als er ins Kloster kommt und den Befehlshaber aufsucht. Doch wie könnte er widerstehen? Der Mann, dem er seine Hochachtung erweisen will, ist nicht nur berühmt, er ist eine Ikone. Otto Liman von Sanders. Preußischer General, osmanischer Feldmarschall. Enkel eines konvertierten deutschen Juden. Vor Kriegsausbruch Generalinspekteur der türkischen Armee.  9 Nach dem Kriegsausbruch der richtige Mann am richtigen Ort, als die Alliierten in Gallipoli landeten und er als Oberbefehlshaber der 5. Armee seinen Anteil daran hatte, dass etwas, das sich zu einer schnellen Katastrophe für die Mittelmächte hätte entwickeln können, zumindest erheblich hinausgezögert wurde. Ein Mann, der Liman getroffen hat, nennt ihn einen «hochgebildeten Militär mit rücksichtsloser Energie, unermüdlich tätig und streng gegen sich und andere». Im Unterschied zu vielen anderen deutschen Militärs, die als Berater und Befehlshaber in den Nahen Osten geschickt worden sind, hat er keine größeren Probleme mit den osmanischen Generälen.  10 Vor einem Monat ist Liman von Sanders nach Palästina beordert worden, um dort aufs Neue sein Charisma einzusetzen.
    Nicht ohne Grund. Im November letzten Jahres ist Gaza gefallen und im Dezember Jerusalem – das Erste ein schwerer militärischer Rückschlag, das Zweite eine politische Katastrophe und verheerend fürs Prestige. Jetzt verläuft die Front von Jaffa im Westen bis zum Jordan im Osten. An diesem Tag im März setzen die Briten ihre Versuche fort, vom Brückenkopf nördlich des Toten Meers aus den Durchbruch zu schaffen.
    Im Verlauf des Nachmittags nimmt der ferne Kampflärm zu. Rafael de Nogales sieht ein, dass auch er sich an den bedrohten Abschnitt begeben muss. Oder wie er selbst schreibt: «Ich begann mich darauf vorzubereiten, mein Sandkorn beizusteuern.»
    Der Ausdruck ist interessant: «Sandkorn». Er zeigt, dass auch de Nogales jetzt wie Millionen andere das desillusionierende Gefühl hat, er sei in seiner Anonymität und Austauschbarkeit im Grunde ein Nichts, ein Fleck, ein Tropfen, ein Körnchen, ein unendlich kleiner Partikel, ein Teil eines unfassbar großen Ganzen, in dem der Einzelne gezwungen ist, alles zu geben, ohne dass sein Opfer das Geschehen spürbar beeinflussen könnte. Deshalb sind die dekorierten Helden und die prominenten Generäle so wichtig: Sie repräsentieren die Hoffnung auf das Gegenteil.
    Die Zeit seit der zweiten Schlacht bei Gaza hat de Nogales weit weg von der Front verbracht, zuerst in Jerusalem, wo er wegen eines Ohrenleidens behandelt wurde, danach in Konstantinopel, zur reinen Erholung. Dort ergriff es ihn jedoch wieder, eines Abends an einem fein gedeckten Tisch, unter heiteren Menschen und blühenden Magnolien, jenes Gefühl, «jene merkwürdige Unruhe, die la vie en salon oft in der Brust derjenigen weckt, die einen Degen und Schuhe mit goldenen Sporen tragen. Und ohne dass ich wusste, warum, begannen meine Gedanken übers Meer zu wandern, zu meinem fernen Heimatland.»
    Gerade als de Nogales sich zur Front begeben will, trifft die unerwartete Meldung ein. Die Briten haben ihre Angriffe abgebrochen und sich zurückgezogen.
    Magie. Oder vielleicht nur die üblichen Ursachen: Missverständnisse, Erschöpfung.

189.
    Sonntag, 17. März 1918
    Willy Coppens sieht ein Insekt sich in einen Menschen verwandeln
     
    Nichts von Belang ist passiert. Die beiden Patrouillen mit je drei Maschinen treffen sich, um gemeinsam zum Flugplatz zurückzufliegen. Da bemerkt Coppens, wie einer der Piloten, De Meulemeester,

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