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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Eiern beschmiert, trieben sie in einem vollgelaufenen Boot an Land. Sie hatten keine andere Wahl, als heimlich zu dem Haus zurückzukehren, in dem sie gefangen gehalten wurden, und es gelang ihnen tatsächlich, durchnässt und nach Eiern riechend, wieder hineinzuklettern.
    Danach erwartete sie etwas Erfreuliches, nämlich die Verlegung in den Badeort Bursa mit seinen berühmten schwefelhaltigen Bädern. Das Unternehmen erfolgte auf Anordnung von Dr.   König, seinem Augenspezialisten, früher Schiffsarzt auf der Goeben , einem der beiden Kreuzer, die 1914 daran beteiligt gewesen waren, das osmanische Reich in den Krieg hineinzuziehen. In Bursa wurden die höchsten britischen Generäle gefangen gehalten  11 , und Mousley konnte eine Weile ihre Privilegien genießen, die in guter und reichlicher Verpflegung, relativ aktuellen Zeitungen und weitgehender Bewegungsfreiheit bestanden. Er spielte viel Schach.
    Dann kam der Befehl, ihn nach Konstantinopel zurückzuverlegen.
    Mousley selbst hatte gehofft, dass dies Gefangenenaustausch und Heimreise bedeuten würde, doch stattdessen ist er gestern in ein unbekanntes Gefängnis gebracht worden. Dort hat er gerade erfahren, dass er wegen seines Fluchtversuchs vor ein Kriegsgericht gestellt werden soll. Zusammen mit einem Araber, einem Türken und einem Ägypter ist er in einer kleinen, dunklen Zelle eingeschlossen. Wenn er durch das vergitterte Fenster hinausblickt, sieht er einen langen Gang, einen Abort und eine großgewachsene Wache, die auf und ab geht.
    Heute ist sein Geburtstag. Mousley fühlt sich nicht gut und ist sehr hungrig. Er bittet um Essen, aber niemand scheint von ihm Notiz zu nehmen. Er bekommt eine Zeitung zu fassen, doch die stimmt ihn nicht glücklicher. Die deutsche Offensive in Frankreich geht weiter, scheinbar unaufhaltsam. Er schreibt in sein Tagebuch:
     
Meine Wachen und meine Zellengenossen machten sich einen Spaß daraus, ganz buchstäblich zu demonstrieren, wie die Deutschen jetzt über die Franzosen und uns hinwegmarschierten. Ich hingegen wartete auf die Gegenoffensive, falls wir nun nicht allzu sehr darniederlagen, auf den Augenblick, in dem der deutsche Vormarsch gestoppt werden musste aufgrund der komplizierten Kommunikationssysteme, die erforderlich sind, um die im modernen Krieg nötigen großen Massen an Leuten und Material vorwärtsbewegen zu können. Es war wirklich ein elender Geburtstag.
     
    Der einzige Lichtblick dann am Abend. Zwei seiner Zellengenossen fangen eine Schlägerei an, und Mousley nutzt das Durcheinander aus, um kurz aus der Zelle zu huschen und einem Offizier der Royal Air Force, von dem er weiß, dass er in einer Nebenzelle sitzt, eine Mitteilung zukommen zu lassen.
***
    Am selben Tag notiert Herbert Sulzbach im Tagebuch:
     
Weiter geht’s in tollem Tempo, wir folgen der Infanterie in kürzester Entfernung. Laboissière wird gestürmt, und erst hinter Etelfay hält sich der Feind. Viele Gefangene sind in unserer Hand, und das Schlachtfeld bietet das Bild eiligster Flucht. Viele tote Engländer und Franzosen müssen wir passieren. Unsere Verluste sind verhältnismäßig gering.

193.
    Samstag, 6. April 1918
    Andrej Lobanov-Rostovskij zieht in Laval seinen Revolver
     
    Während des gesamten Krieges war er vermutlich nie so nahe daran, jemanden zu erschießen, und die Ironie ist, dass die Menschen, die er gleich töten wird, seine Landsleute sind. Andrej Lobanov-Rostovskijs Odyssee geht weiter, eine Reise, die ihn weniger von der sicheren Heimat wegführte (obwohl das die Folge ist) als von der Bedrohung durch die Revolution.
    Saloniki ist keine Zuflucht vor den Umwälzungen im Vaterland gewesen. Die Erschütterungen der Revolution haben auch die russischen Truppen dort erreicht, besonders seit die Bolschewiken die Macht übernommen haben. Warum also noch kämpfen? Lobanov-Rostovskij hat seine Flucht fortgesetzt. Zuletzt nach Frankreich, als Kompaniechef eines Bataillons, das aus Russen bestand, die bereit waren, weiterzukämpfen, in russischer Uniform, aber rein formal in französischen Diensten. (Die überwältigende Mehrheit der russischen Soldaten in Saloniki hatte sich geweigert mitzugehen und lieber Revolutionskomitees gebildet, rote Fahnen geschwenkt und die «Internationale» gesungen. Dann war sie zur Zwangsarbeit in Nordafrika abtransportiert worden, streng bewacht von marokkanischer Kavallerie.)
    Aber die russische Revolution ist selbst in Frankreich zu spüren. Oder vielleicht eher der Geist der Revolution

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