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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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junger Hauptmann, ein Landsmann, und Cushing hat gelernt, das Gestammel des Mannes zu verstehen und das Geräusch seiner stolpernden Schritte zu erkennen. Der junge Hauptmann soll an einem Kriegstrauma leiden. Cushings Arzt in Priez weiß von dessen Interesse an diesem Leiden, und er lässt Cushing dabeisitzen, wenn er mit dem Patienten spricht.
    An diesem Tag führen die beiden Ärzte eine abschließende Befragung des jungen, stotternden Hauptmanns durch, und Cushing fasst den Fall anschließend in seinem Tagebuch zusammen.
    Der Patient, genannt B., ist vierundzwanzig Jahre alt, blond, mit gepflegtem Haarschnitt, mittelgroß und gut gebaut; er hat American Football gespielt, trinkt keinen Alkohol und raucht nicht. Sein Hintergrund ist solide und geordnet. Er ist seit 1911 Mitglied der Nationalgarde, war während des Krieges 1916 in Mexiko an der Grenze im Süden stationiert, trat im Januar 1917 in die Armee ein, wurde acht Monate später zum Leutnant ernannt und traf im Mai 1918   mit dem 47. Infanterieregiment in Frankreich ein.
    B. ist von einem näher an der Front gelegenen Lazarett zur Behandlung seiner schweren psychosomatischen Probleme nach Priez verlegt worden. Bis auf ein paar kleine Blessuren – unter anderem Verbrennungen durch Senfgas – war er körperlich unversehrt, als er am 1. August die Front verließ; doch er litt an schweren Sehstörungen und an motorischen Störungen. B. selbst behauptete, das Einzige, was ihm fehle, sei Ruhe, und es bedurfte sanften Zwanges, um ihn ins Lazarett einzuweisen. Als B. in Priez ankam, war er blind und konnte kaum noch gehen.
    Als Neuankömmling in Frankreich war B. verschiedenen Einheiten an der Front unterstellt, um Erfahrungen zu sammeln, er geriet also früh in Kämpfe. Im Mai hat er den britischen Rückzug an der Somme mitgemacht, Anfang Juni war er mit dabei, als das Marinekorps im Bellau-Wald seine Feuertaufe erlebte, und Mitte Juli war er einem französischen Verband zugeteilt, der sich gegen verschiedene deutsche Vorstöße zur Wehr setzen musste.
    Ende Juli wurde er mit seinem eigenen Regiment auf Lastwagen an die Front westlich von Reims geschickt, wo Franzosen und Amerikaner gemeinsam einen Gegenstoß eingeleitet hatten. Es war vorgesehen, dass sie als Feuerwehrtruppe an Stellen eingesetzt werden sollten, wo Angriffe sich festgefahren hatten. In der Nacht auf den 26. Juli fuhren sie durch einen durch Gas verseuchten Wald. Gegen Morgen wurden sie abgeladen, um an einem Angriff teilzunehmen, der schon in vollem Gang war. Weil er nur Leutnant war, wusste B. nichts von diesem Plan. Dies war der erste richtige Kampf des Verbandes. Kaum waren sie auf freiem Feld angelangt, gerieten sie unter heftigen Beschuss. Der Oberstleutnant und einer der Majore wurden schwer verwundet, und kurz darauf wurden der zweite Major und B.s Hauptmann getötet. Dies bedeutete, dass B. plötzlich der höchste Offizier des Bataillons war.
    In dieser chaotischen Situation tauchte «wie aus dem Nichts» ein B. unbekannter General auf, zeigte mit der Hand und sagte: «Sie überqueren dort drüben einen Fluss und nehmen eine Stadt mit Namen Sergy ein.» Das Bataillon war schon erschöpft vom nächtlichen Marsch und angeschlagen nach dem schweren Beschuss, aber B. sorgte dafür, dass es sich zum Kampf formierte. Man rückte vor, durch ein hüfthohes Weizenfeld, durch schweres deutsches Artilleriefeuer, über den Fluss (der kaum breiter war als ein Bach) in die Stadt Sergy. Gegen zehn Uhr am Vormittag hatten sie die Stadt von Feinden gesäubert. Später wurden sie mit heftigem Sperrfeuer beschossen, und die deutsche Infanterie begann ihren Gegenangriff.
    So ging es weiter. Angriff und Gegenangriff lösten sich ab. In fünf Tagen wechselte die Stadt neunmal den Besatzer. Ein ums andere Mal wurde das Bataillon aus der Stadt vertrieben, bis zu dem schmalen Fluss und der kleinen Mühle, die B. als kombinierten Stabs- und Verbandsplatz ausersehen hatte. Ein ums andere Mal traten sie zum Gegenangriff an und nahmen Sergy wieder ein. Sie waren mit 927 Gemeinen und 23 Offizieren in den Kampf gegangen. Am Ende des fünften Tags waren noch achtzehn Mann und ein Offizier übrig – der Rest war verwundet oder tot.  31 Cushing schreibt:
     
B. gibt zu, dass er es langsam satt hatte. Er war für den Gasschutz verantwortlich, und alle seine Leute waren mehr oder weniger geschädigt durch Gas, viele hatten schwere Brandwunden davongetragen.  32 Außerdem war er als Nachrichtenoffizier tätig,

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