Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)
besser gesagt als Melder, ein- bis zweimal am Tag und zwei- bis dreimal in der Nacht. Dies war notwendig geworden, weil die Telefonleitungen zum 168. rasch zerschossen waren und es am Stabsplatz niemanden gab, der Lichtsignale lesen konnte. Während der gesamten fraglichen Periode gab es keinen dauerhaften Kontakt nach hinten. Er war auch Sanitäter, der dafür zu sorgen hatte, dass die Verwundeten zur Mühle zurückgebracht wurden, was die ganze Zeit nur unter Beschuss möglich war. Er selbst führte mittels eines Armeemessers und einer alten Säge, die er in der Mühle gefunden hatte, zwei Amputationen durch. In einer Nacht luden sie 83 Mann auf improvisierte Tragen und schickten sie zu den hinteren Linien.
Wenn es ruhig genug war, mussten sie nachts bei eigenen und feindlichen Gefallenen nach Essen und Munition suchen. Einmal hatten sie nur noch zwanzig Schuss pro Mann. Oft verwendeten sie deutsche Gewehre und deutsche Munition, auch deutsche Stielhandgranaten, 33 die der Mannschaft anfangs einen erheblichen Schaden zufügten. Die deutschen Handgranaten hatten eine Brennzeit von nur drei bis vier Sekunden, gegenüber den vier bis fünf Sekunden unserer eigenen. Das deutsche Essen war gut, jedenfalls das, was sie finden konnten: Würste, Brot und argentinische Fleischkonserven.
Wer am wenigsten erschöpft war, musste die Verwundeten einsammeln. Es war eine sehr anstrengende Arbeit. Die Verwundeten konnten oft nur einen oder zwei Schritte getragen werden – je nach den Umständen. Viele mit drei oder vier Wunden kämpften weiter – sie waren praktisch dazu gezwungen. Ein Gesunder und ein Verwundeter kämpften oft zusammen; wenn Letzterer nicht aufstehen konnte, musste er zusätzliche Waffen laden. Granatentrichter waren ihr einziger Schutz.
In diesen Tagen sah B. zum ersten Mal einen Fall von Kriegsneurose. Er wusste nicht, was mit dem Mann los war, sondern glaubte, der Kerl sei feige. Jedes Mal, wenn in der Nähe eine Granate einschlug, rannte der Mann zitternd in Deckung. Aber er kehrte immer zurück und tat seinen Dienst. Der Mann ertrug ganz einfach die Explosionen nicht. Im Übrigen waren alle nach dem nahezu ununterbrochenen Artilleriefeuer – hochexplosive Granaten gemischt mit Gas – ziemlich mitgenommen.
Fast am schlimmsten war jedoch das Tränengas, das wie faule Birnen roch und sie zum Niesen brachte – und häufig auch bewirkte, dass sie sich in ihre Gasmasken erbrachen, sodass sie sie fortwerfen und auf das Beste hoffen mussten. Alle waren mehr oder weniger betroffen, und die Tränen in den Augen hinderten sie daran, gut zu zielen.
Am Montag wurde B. vom Splitter einer hochexplosiven Granate, der in seinen Helm schlug, außer Gefecht gesetzt – als wenn man von einem Baseball an der Schläfe getroffen wird. Die Leute glaubten oft, sie seien verwundet. Sie spürten beispielsweise einen Schlag ans Bein, sahen Blut und einen Riss in der Hose, aber wenn sie die Hose herunterzogen, fanden sie oft nur einen blauen Fleck – das Blut kam von einer Wunde des Mannes neben ihnen.
Der Patient erzählt Cushing und seinem Kollegen, dass sie am Mittwoch bei Sonnenuntergang abgelöst wurden. Obwohl sie sechs Tage kaum geschlafen hatten, waren sie gezwungen, die ganze Nacht hindurch zurückzumarschieren. Erst gegen Mittag am folgenden Tag konnten sie haltmachen. Sie bekamen warmes Essen, und ein verständnisvoller Oberstleutnant zwang die Soldaten, sich hinzulegen und zu schlafen.
B. selbst bekam keine Ruhe. Er entdeckte nämlich, dass sein Codebuch fehlte, weshalb er sich ein Motorrad lieh und nach Sergy zurückfuhr. Dort fand er es in seiner Uniformjacke, die er zusammengefaltet und einem Verwundeten als Kissen unter den Kopf geschoben hatte. Der Mann war tot, aber das Codebuch war noch da. Gerade als B. im Begriff war, den Platz zu verlassen, entdeckte er einen Verwundeten, der unten am Ufer zurückgelassen und vergessen worden war. B. versuchte, ihn über den Wasserlauf zu tragen, geriet aber unter Beschuss. Der Verwundete wurde zerfetzt, und er selbst erhielt einen kräftigen Schlag. Halb betäubt fand er zu seinem Motorrad zurück und fuhr davon, immer noch unter Beschuss.
Als er zu seiner Truppe zurückkehrte, sahen die Leute sofort, dass etwas nicht stimmte. B. zitterte und stammelte und konnte sich nicht einmal hinsetzen. Man gab ihm einen Whisky zu trinken und übergoss ihn mit kaltem Wasser. Nichts half. Es ging ihm äußerst schlecht, er erbrach sich, hatte schwere Kopfschmerzen,
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