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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Geschütze der Entsatztruppen, die auf die türkischen Linien bei Dujaila einhämmern, auf der südlichen Seite des Flusses. Das Ganze geschieht nur zwölf, dreizehn Kilometer entfernt. Die Entsatztruppen haben offenbar den Fluss unbemerkt überquert und nach einem Marsch im Dunkeln einen Durchbruchversuch gestartet.
    Bei den Eingeschlossenen herrscht Aufregung. Als es heller wird, können sie sehen, wie osmanische Verbände im Eilmarsch zu dem bedrohten Abschnitt ziehen. Mousley weiß, dass Pläne gefasst wurden, die Entsatztruppen durch einen Ausfall zu unterstützen, entweder nach Norden oder nach Süden, je nachdem, von welcher Seite diese kämen. Er hört jedoch keinen Befehl, die Pläne auszuführen. Gegen neun Uhr sieht er Reihen von Köpfen, die sich in den osmanischen Schützengräben bewegen, alle in Richtung Südosten.
    In der Zwischenzeit verdichtet sich der Gefechtslärm, gleichzeitig strömen osmanische Verbände weiter in Richtung Dujaila. Dann wird es ganz still. Am Horizont sind keine Blitze mehr zu sehen.
    Mousley vermutet, es ist deswegen so still, weil die britische Infanterie ihr Angriffsziel erreicht hat und ein Nahkampf mit blanken Waffen geführt wird.
    Die Stille hält an. Unter den Eingeschlossenen breitet sich Nervosität aus. Was ist geschehen? Warum wartet man mit dem Ausfall?
    Die Stunden vergehen. Nichts geschieht. Die Kanonen um Dujaila herum schweigen weiter.
    Es wird Abend.
    Alles ist still.

87.
    Donnerstag, 9. März 1916
    William Henry Dawkins’ Vater nimmt die persönliche Habe seines gefallenen Sohnes in Empfang
     
    An diesem Tag quittiert Arthur Dawkins den Empfang eines Pakets, das die australischen Militärdienststellen in Ägypten durch die Firma Thomas Cook & Son verschickt haben. Das Paket enthält die persönliche Habe von William Henry Dawkins. Sie besteht aus:
     
1 Taschenlampe mit Batterie
1 Bibel
1 Brieftasche aus Leder
1 Buch im Taschenformat
1 Tagebuch
1 Schere
1 Gürtel
3 Klappmesser.
***
    Am gleichen Tag, um drei Uhr am Nachmittag in Kut al-Amara, schreibt Edward Mousley in sein Tagebuch:
     
Die Entsatztruppen haben den Durchbruch nicht geschafft. Dies haben wir inoffiziell gehört. Wir glauben alle, dass dies «der große Versuch» war und keine zweitrangige Operation. Wir sind enttäuscht, doch das sind wir gewohnt, denn wir haben kaum anderes als Enttäuschungen erlebt.

88.
    Samstag, 11. März 1916
    Angus Buchanan und der Nebel auf dem Kilimandscharo
     
    Während sie vorwärts marschieren, bahnen sie sich ihren Weg. Sie tun es allein durch ihr Gewicht. Die Kolonne besteht nämlich aus vier- bis fünftausend Soldaten, Tausenden von Mauleseln und Pferden, einer großen Menge von Kanonen, Munitionswagen und Vorratskarren verschiedener Art, ja sogar einigen Kraftfahrzeugen, die den Abschluss bilden. Schnell geht es nicht voran.
    Zu Beginn des Marsches, als sie sich noch auf der flachen, sandigen Ebene bewegten, hatte Buchanan durch den wirbelnden Staub in der Ferne die Spur gesehen, die sie hinter sich zurückließen und die «einer dünnen Linie schlingernder Fäden [glich], die über die leere Fläche einer unvollständig gezeichneten Karte gezogen wurde». Die Vorhut ist nur vereinzelt auf den Feind gestoßen, der sich zurückzuziehen scheint. Man fand ein hastig verlassenes deutsches Lager und brannte es nieder.
    Jetzt soll Deutsch-Ostafrika erobert werden.
    Auf dem Papier sieht es fraglos nach einer großen und imposanten Operation aus. Genau wie in Europa sollen die Deutschen von verschiedenen Seiten gleichzeitig attackiert werden: ein britischer Verband soll von Norden aus angreifen, ein belgischer soll in das Gebiet nördlich des Tanganjikasees einfallen, die Portugiesen werden, so erwartet man, von Süden anrücken – seit zwei Tagen herrscht zwischen Portugal und Deutschland der Kriegszustand. Die Hauptoperation findet jedoch in der nordöstlichen Ecke von Deutsch-Ostafrika statt, in den Gebieten um den Kilimandscharo. Der Plan sieht vor, die feindlichen Hauptstreitkräfte in einem klassischen Umfassungsmanöver zu stellen und zu vernichten. Die Kolonne, der Buchanan und die anderen der 25   th Royal Fusiliers angegliedert sind, soll von Norden her anrauschen und als Amboss fungieren, sie soll die sich zurückziehenden deutschen Truppen festhalten, damit der Hammer – die Hauptstreitmacht  19 , die von Westen her über die Grenze marschiert – sie zerschlagen kann. Das Ziel beider Kolonnen ist Moshi. (Die kleine Stadt ist die

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