Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
virtueller Welten lebt weiter und hat sich zu einer globalen Industrie entwickelt, die inzwischen größer ist als die Filmbranche. Die im Jahr 2008 bekanntesten virtuellen Welten waren »World of Warcraft« und »Second Life«.
Während sich das Gehirn bei »Zork« die virtuelle Welt noch selbst konstruieren musste, stellen die erwähnten Spiele riesige virtuelle Welten in anspruchsvoller 3D-Gra-fik dar, die das Gefühl, wirklich »dort« zu sein, noch einmal erheblich verstärkt. Im Unterschied zu den frühen Computerspielen durchstreift der Spieler diese Welten nicht allein. Er begegnet nicht nur simulierten Wesen, die in der Regel nur über sehr eingeschränkte Reaktionsmöglichkeiten verfügen. Stattdessen kann er die übrigen Spieler in dieser Welt sehen - genau genommen natürlich nicht die Spieler selbst, sondern ihre Spielfiguren, sogenannte Ava-tare. Er kann sich mit ihnen unterhalten, entweder über die Tastatur oder über eine Form von Internet-Telefonie namens Teamspeak, bei der sich Gruppen von Spielern in einer Art Telefonkonferenz zusammenschalten. Er kann gemeinsam mit ihnen gegen Monster kämpfen oder sie manchmal gar überfallen und ausplündern.
»Second Life« ist eine Welt ohne konkretes Spielziel. Man kann dort umherwandern, andere Spieler kennenlernen, mit ihnen plaudern. In gewisser Hinsicht ist »Second Life« nicht viel mehr als eine gigantische virtuelle Kneipe, in der es nichts zu trinken gibt. Allerdings haben die Spieler die Möglichkeit, sich ein virtuelles Zuhause zu schaffen. Mit Spielgeld - sogenannten Linden Dollars, benannt nach dem Erfinder des Spiels - können sie sich virtuelle Grundstücke, Häuser und Gegenstände kaufen, die andere Spieler kreiert haben. Sie können auch selbst Geld verdienen, durch simple Anwesenheit in bestimmten Bereichen, durch das Herstellen und Verkaufen von Gegenständen oder durch Grundstücksspekulationen. Sogar virtuelle Prostitution gibt es in »Second Life«.
Die so verdienten Linden-Dollars sind natürlich nur eine virtuelle Währung, doch sie haben den Sprung aus der Scheinwelt in die Realität geschafft: Es gibt einen inoffiziellen Umtauschkurs für Linden-Dollars in echte amerikanische Banknoten. Im Oktober 2008 lag der Kurs laut eBay bei etwa 4 US-Dollar für 1000 Linden-Dollar. Nach Aussagen des Spieleanbieters Linden Labs verdienen inzwischen ca. 1300 Personen regelmäßig mehr als 1000 Dollar -echte wohlgemerkt - monatlich, indem sie in »Second Life« »arbeiten«.
Natürlich hat dieser virtuelle Reichtum zahlreiche Geschäftemacher angezogen. Es wurde sogar öffentlich darüber diskutiert, ob die Einnahmen in Linden-Dollar nicht versteuert werden müssten. Etliche Unternehmen haben »virtuelle Filialen« in »Second Life« eröffnet, in der Hoffnung, dort echte Kunden für ihre realen Produkte gewinnen zu können. Viele dieser Filialen sind eher Bauruinen geblieben, leere Gebäude, die in virtuellen Geisterstädten herumstehen und kaum Interessenten anlocken können.
Auch Immobilienspekulationen in »Second Life« dürften sich - unabhängig von der realen Immobilienkrise in den USA - mittelfristig nicht auszahlen, denn virtuelle Grundstücke haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind beliebig vermehrbar und damit nach der betriebswirtschaftlichen Theorie nichts wert, da einer begrenzten Nachfrage prinzipiell ein unendliches Angebot gegenübersteht. Das stimmt zwar im Fall von »Second Life« nur eingeschränkt, da der Wert eines Grundstücks auch von seiner Lage - relativ zu populären Orten - abhängt. Doch was eine gute Lage ist, kann sich in einer virtuellen Welt sehr schnell ändern, oder die Welt wird als Ganzes unpopulär und damit auch alle Grundstücke darin wertlos.
Der große Vorzug von »Second Life« ist seine kreativitätsfördernde Wirkung: Praktisch alles, was es in »Second Life« gibt, ist von den Bewohnern dieser Welt geschaffen worden. Von realistischen Nachbildungen ganzer Städte bis zu phantasievollen Kunstobjekten gibt es kaum etwas, das es nicht gibt. In dieser Beliebigkeit liegt natürlich auch ein Nachteil - manchmal erscheint die Welt arg zusammengewürfelt, und nicht jedes Objekt besticht durch Ästhetik und Originalität. Trotzdem kann man »Second Life« zu Recht als Land der unbegrenzten Möglichkeiten ansehen, wenn auch der Glanz dieser Welt nach einem großen »Hype« in den Jahren 2006 und 2007 inzwischen weitgehend verblasst ist.
Ganz anders sieht es mit »World of Warcraft« aus, dem im
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