Schokoherz
steinharten Victoria-Beckham-Kugeln mehr, vielen Dank. Ich war auf der Suche nach saftigen roten Tomaten, deren süßes Fruchtfleisch fast aus der Haut platzte. Und ich würde mich nicht nur an Tomaten vergreifen. Ich würde mittendrin sein, fühlen, riechen, berühren, wie ich mir das immer erträumt hatte. Das war ein solch wunderbar europäisches Traumbild, dass ich von einem Ohr zum anderen grinste.
Alsosprang ich aus dem Bett, googelte das perfekte
Rezept und hatte die Kinder angezogen und gefüttert,
bevor Tom auch nur einen Mucks von sich gab. Dann
klopfte ich leise an die Schlafzimmertür, brachte ihm
eine Tasse Tee plus zwei absolut unwiderstehliche Bündel und verkündete meinem Gatten die frohe Botschaft:
Er würde sich um die Kinder kümmern, während ich
das abendliche Festmahl vorbereitete.
Tom war viel zu verschlafen, um sich zu beschweren.
Also interpretierte ich sein Schweigen als überschäumende Begeisterung und machte mich vom Acker, bevor er mich eines Besseren belehren konnte. Das Marktviertel glich ein wenig einer dieser fauligen grauen
Stellen, auf die man manchmal stößt, wenn man einen
ansonsten perfekten, knackigen weißen Blumenkohl halbiert. Es war städtisch, trostlos, von Betonwohnblocks
durchzogen und mit Graffiti-Schriftzügen übersät.
Gleichzeitig pulsierte es vor Leuten, Leben und Geräuschen. Obwohl die Straßen ein ziemliches Labyrinth
darstellten, hatte ich keine Schwierigkeiten damit, den
Markt zu finden, denn alle strebten dorthin. Ich warf
mich in den Menschenstrom und wurde bald an zwei
riesigen schwarzen Steinbullen vorbeigetragen (auffallend gut bestückt, wie ich nicht umhin konnte zu bemerken), die den Eingang zum Markt flankierten. Sofort wurde das Grau des Tages von juwelengleichen
Bergen an Mandarinen, roten Paprika und glänzenden
lila Auberginen verdrängt, die in Hülle und Fülle neben Pyramiden aus süß duftenden gelben Melonen, Bananenbündeln und gigantischen giftgrünen Kohlköpfen
aufgetürmt waren. Ich wanderte umher und versuchte,
mich in der Menge zurechtzufinden, während ich den
Geruchder Gewürzstände inhalierte, wo man Plastiktiitchen voll pulverisiertem Ingwer, Paprika und Gelbwurz kaufen konnte. Die Terrakotta-und Ockerfarben waren die einer toskanischen Stadt, doch gleichzeitig versteckten sie die Schärfe des Orients unter ihren kleinen Zellophanmäntelchen. An einem Stand gab es nichts als Oliven, die in riesigen Bottichen ölig glänzten. Einige waren mit Chili angemacht, andere befanden sich in Gesellschaft winziger Zwiebeln, manche waren hellgrün wie Salbei, wieder andere schwarz wie die Nacht. Auf dem Nachbartisch türmten sich Minze, Koriander und Petersilie, so frisch, dass noch Tautropfen auf den Blättern funkelten. Ich blieb stehen und atmete die scharfe Mischung aus Gerüchen ein, um dann je einen Bund zu kaufen. Inmitten der Rufe der Standbesitzer – »reclame, reclarne, liquidation , goutez, goutez, madame« – beschloss ich, dass dies hier wohl das krasseste Gegenstück zum Waitrose-Supermarkt in Fulham darstellte, das man sich denken konnte.
Ich war viel zu überwältigt, um meinem geplanten. Vergnügen des Gemüseanfassens nachzugehen. Stattdessen betrat ich ein langgestrecktes, niedriges Gebäude, uni dem hektischen Treiben zu entkommen, und fand mich auf dem Fleischmarkt wieder. Hier war es noch voller, und in das Stimmengewirr mischte sich ein beständiges dumpfes Klopfen, wie in einem Song von Eminem. Ich brauchte eine Weile, um es zu identifizieren. Hackebeile. Die mit Wucht auf Schlachtbänke trafen. Und Tiere in Stücke hackten. Als ich mich umsah, erblickte ich überall abgezogene Tierkörper. Beinahe wäre ich über eine Plastikkiste mit Schweinefüßen gestolpert. Von Haken an der Decke hingen Lungen, Lebern,Lampen und Körperteile, die ich nicht im Entferntesten identifizieren konnte. Genug, uni einen für den Rest des Lebens zur Vegetarierin zu machen. Doch dann fiel mir meine Mission wieder ein: Ich brauchte Kalbfleisch. Wie ein Raubtier, das seine Beute einkreist, schlich ich an den Glastischen vorbei, die man in der Halle entlang von schmalen Gängen angeordnet hatte, auf der Suche nach den besten Stücken zum besten Preis, wachsam wie eine Löwin auf Beutezug.
Eine halbe Stunde später schlenkerte ich eine blutige Tüte voller Fleisch und war sehr zufrieden mit mir. Tut mir leid, liebe Vegetarier, aber es gibt beim Fleischverzicht ein entscheidendes Problem. Es schmeckt einfach zu
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