Schokoherz
praktisch monatelang mit Kakao gestillt. Ich würde mich also nicht hinsetzen und direkt vor ihrer Nase eine ganze Tafel Green & Black's Karamellschokolade verdrücken. Aber es sprach doch wirklich nichts gegen ein Stückchen gesunden Schokokuchen. Zum Glück waren wir drei in diesem Punkt ganz einer Meinung, und nicht zum ersten Mal beglückwünschte ich mich zu meinem hervorragend ausgestatteten Schokoladenschrank. Eine Tafel Vollmilchschokolade eignete sich ideal zum Backen. Es zeigte sich wieder einmal, dass ein kleiner Vorrat für Tage, an denen man wegen einer blutgierigen Reportermeute das Haus nicht verlassen konnte, wirklich nützlich war. Jedenfalls bewirkte das beruhigende Messen, Abwiegen, Rühren, Schmelzen und Backen, dass wir unsere Einkerkerung ganz vergaßen. Es war wirklich eine Freude, mit Olli in der Küche zu arbeiten, während uns Maddie von ihrem Hochstühlchen aus zusah und mit einem Holzlöffel munter den Takt dazu klopfte. Wir ließen den köstlichen Rührteig in die Kuchenform laufen und schoben sie in den Ofen. Meine Küche schien zum Leben zu erwachen, wenn dort auf Hochtouren gearbeitet wurde. Das gemütliche Rot der Wände und der Terrakottafliesen glühte, die cremeweißen Schränke waren heimelig, ohne altbacken zu sein, und die Kinder sahen aus wie von Raffael gemalte Engel: Das Licht betonte ihre perfekte Haut und zauberte goldene Reflexe in ihr weiches Haar.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich dieses Haus ganz schrecklichvermissen würde. Es war so viel mehr als ein Haus. Es war ein Heim, der Ort, an den ich unsere Babys nach ihrer Geburt gebracht hatte, der einzige Ort, den sie kannten, und die erste Immobilie, die Tom und ich als Paar gekauft hatten. Einst hätte ich gedacht, mich würden keine zehn Pferde mehr von hier wegbewegen können. Aber all die Rechnungen, die sich auf der Mikrowelle stapelten, garniert mit der zerknitterten Ausgabe der Zeitung von gestern, unterstrichen, was ich schon wusste. Ich hatte keine Wahl. Wir konnten es uns einfach nicht leisten, in England zu bleiben.
Als das Telefon klingelte, erwartete ich eigentlich Tom, der den Startschuss zum Aufbruch geben würde, nachdem er alles mit seiner Zeitung geklärt hatte. Zu meiner Überraschung war es Mum, deren Stimme hörbar zitterte.
»Wann werdet ihr gehen, Bella? Oder wolltest du die Heimat verlassen, uns verlassen, ohne dich zu verabschieden?« Sie unterdrückte ein Schluchzen.
»Ach, Mum«, seufzte ich und sank in einen Sessel, während ich mit dem Zipfel eines Geschirrtuchs die oberste Teigschicht von Ollis glücklichem Gesichtchen wischte. Madeleine, die zufrieden Reis durch ihre kleinen Händchen rieseln und das meiste davon über den Rand ihres Hochstuhls fallen ließ, bemerkte, was ihr Bruder naschte, und forderte augenblicklich lautstark ihren Anteil. Geistesabwesend ließ ich sie an der Teigschüssel lecken, obwohl sie eigentlich noch ein bisschen klein war für die berauschende Mischung aus Schokolade, rohen Eiern, Fett und Zucker. Natürlich war sie völlig begeistert und klapperte so lange mit ihremLöffel, bis ich ihr noch mehr gab. Mir war alles recht, solange sie nur Ruhe gab, während ich mir überlegte, wie ich es wiedergutmachen konnte, dass Mum von unseren Plänen aus den Nachrichten erfahren hatte.
»Tut mir wirklich leid. Es ist alles so schnell gegangen, ich bin einfach nicht zum Telefonieren gekommen«, versuchte ich mich herauszureden. Ich hatte meine Mutter so lange wie möglich mit der Nachricht verschonen wollen, die ihr das Herz brechen würde. »Ich wollte dich nach der Sache mit meinem Job nicht schon wieder beunruhigen«, erklärte ich lahm.
»Bella, wie kannst du das vergleichen! Einen Job zu verlieren ist eine Sache. Außerdem bin ich der Meinung, dass es sowieso viel besser ist, wenn du mehr Zeit mit deinen Kindern und weniger Zeit mit diesen gelifteten Promis im Dschungel verbringst. Aber auf den Bermudas zu leben ...«
»Doch nicht auf den Bermudas«, widersprach ich erleichtert. »In Brüssel. Das ist nur ein paar Stunden mit dem Zug ...« Da hatte Mum mal wieder was durcheinandergebracht. Zum Glück hatte ich am Vortag einen Blick auf die Website des Eurostars geworfen, als ich auf der Suche nach Informationen über belgische Schokolade war. So konnte ich Mum äußerst kenntnisreich über Fahrpläne und die Annehmlichkeit der Reise informieren. Schließlich hatte ich sie so weit, dass sie beinahe glaubte, man sei schneller in Brüssel als in Fulham.
»Aber man
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