Schokoladenzauber - Roman
tut mir leid, Chloe. Ich wollte ja, aber ich hatte keine einzige freie Minute, ich war die halbe Nacht auf.« Sie unterdrückte ein Gähnen. »Als ich nach Hause gekommen bin, lärmte eines der Ponys in seinem Stall herum, es hatte eine Kolik, und ich musste den Tierarzt rufen. Mum wollte, dass ich mich heute Morgen ausschlafe, aber ich konnte sie doch nicht mit der ganzen Arbeit alleine lassen.«
»Aber, Poppy, der neue Vikar ist Raffy Sinclair !«
»Ja, ist das nicht aufregend?«, stimmte sie euphorisch zu. »Ich wusste gar nicht, dass du so ein großer Fan bist, du hast ihn nie erwähnt und …«
»Poppy«, unterbrach ich sie, »ich habe ihm vor weniger als einer Stunde auf der High Street gegenübergestanden, und das war ein gewaltiger Schock, mein Herz rast immer noch.«
»Oh, das verstehe ich, er ist ja auch wahnsinnig attraktiv. Seine Augen sind beinahe türkis, so wie das Meer in diesen Urlaubsbroschüren aus Jamaika, die du nach dem Verschwinden deiner Mutter besorgt hast – echt bemerkenswert! Und im Gespräch ist er sehr, sehr nett, er muss also all das, was über ihn und die Band geredet wird – falls es überhaupt stimmt –, hinter sich gelassen haben. Immerhin hat er zu Gott gefunden.«
»Poppy, das war nicht nur ein Schock, das war ein Alptraum! Raffy Sinclair …«, begann ich meinen Satz, aber Poppy war in ihrem Enthusiasmus nicht mehr zu bremsen.
»Dir ist es wahrscheinlich ebenso gegangen wie uns gestern Abend. Wir waren schon sehr verblüfft, als er den Raum betrat. Aber wir werden uns an seinen Anblick in unserer Mitte schon gewöhnen. Es bleibt uns ja gar nichts anderes übrig, er ist schließlich der Vikar!« Sie kicherte. »Das werden großartige Zeiten!«
»Poppy, hör endlich auf zu quatschen und hör mir eine Minute lang zu. Raffy Sinclair ist der Mann, den ich an der Uni kennengelernt habe – weißt du noch? Mein Freund, der auf und davon war, nachdem seine Band einen Plattenvertrag bekommen hatte? Der, der mich so schnöde hat sitzenlassen und von dem ich nie, nie wieder etwas gehört habe – mit Ausnahme dessen, was man in den Medien zu seinem liederlichen Treiben lesen konnte?«
Poppy schnappte nach Luft. » Das war Raffy Sinclair? Ich hatte ja keine Ahnung! Du hast mir nie seinen Namen genannt, du warst immer so verschlossen, sonst hätte ich dich doch gewarnt und – oh, Chloe, er wirkte so nett!«, rief sie vollkommen verstört.
Poppy war damals fort gewesen, und als sie endlich zurückgekommen war, hatte ich schon kein Verlangen mehr verspürt, über mehr als die bloßen Fakten zu sprechen, selbst mit meiner ältesten Freundin. Nur Zillah kannte das ganze Ausmaß dessen, was ich durchgemacht hatte, doch auch ihr hatte ich nicht den Namen des Mannes genannt, der mir das Herz gebrochen hatte.
»Ich wollte ihn im Leben nicht mehr sehen!«
»Das verstehe ich gut, mir wird heute noch übel, wenn ich nur daran denke, wie dämlich ich mich bei diesem Reitlehrer benommen habe, ich würde sterben , wenn ich ihn wiedersehen müsste«, gab sie zu.
»Das war etwas anderes, Poppy – ich hatte geglaubt, Raffy liebt mich. Zumindest hatte er das behauptet!«
»Ich weiß, es ist so furchtbar traurig und romantisch, wie in einem Film«, seufzte sie.
»Ja, aber ohne Happy End.«
»Aber das ist doch alles so lange her. Du musst ihn doch fast vergessen haben, das war bestimmt bloß der Schock über diese unerwartete Begegnung.«
»Poppy, der Musik von Mortal Ruin kann man nicht entkommen, ich konnte ihn nicht vergessen.«
Bei »Darker Past Midnight« musste ich sogar immer noch weinen, weil nicht ich das Mädchen war, nach dem er sich so sehnte … Aber das musste Poppy nicht wissen.
»O ja, das wühlt wahrscheinlich alles wieder auf«, räumte sie ein. »Aber du bist doch trotzdem über ihn hinweg. Du wirst dich schon an seinen Anblick gewöhnen. Und außerdem ist er jetzt ein Geistlicher, da muss er doch ein neuer Mann sein.«
»Mir ist egal, ob er auf der Schnellspur Richtung Heiligsprechung ist«, fauchte ich und knallte den Hörer auf, was mir im selben Moment schon leidtat. Es war ja nicht Poppys Schuld, dass ich so aufgebracht war.
Aus den Augenwinkeln nahm ich eine kleine Bewegung wahr. Ich war nicht allein, Zillah saß so still auf einem Küchenstuhl, als hätte sie sich dort materialisiert. Vor ihr, auf dem Tisch, stand eine große Keramikschüssel mit einer Pastete, der Grund für ihren Besuch.
»Oh, Zillah!«, keuchte ich. Wie viele Schocks verträgt mein Herz an
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