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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Rache. Wie auch immer die ausfällt. Hätte ich uns irgendwann vorher retten können? Anstatt jetzt nur mich vor ihr retten zu wollen? Wir haben nie gelernt, miteinander zu sprechen, richtig zu sprechen, auch über die unangenehmen Themen. So viele Jahre, da komm ich nicht drüber. Sie haben ja oft gefragt, ob ich glaube, dass ich durch eine Aussprache was ändern könnte. Aber es hätte das gleiche Ergebnis gebracht wie das Schlussmachen mit ihr, bald.«
    »Glaube ich auch, mittlerweile, nach allem, was Sie von ihr erzählt haben.«
    »Das ist wirklich schön für mich, dass Sie das sagen. Ich habe das genau gemerkt, Frau Drescher. Sonst erlauben Sie mir nie wegzulaufen. Wenn ich bei irgendwelchen Problemen mit Georg weglaufen will und denke, ich kriege es nicht hin, und will weglaufen und Liza bei ihm lassen, das verbieten Sie mir jedes Mal. Aber mit Cathrin, wenn ich endlich nach tausend Jahren von alleine draufkomme, dass die schlecht ist für mich, da haben Sie nicht widersprochen. Ja. Das habe ich bemerkt. Ich beobachte Sie nämlich zurück, Frau Drescher, nicht nur Sie mich. Ha!«
    Agnetha lacht.
    »Cathrin hat immer gesagt, sie möchte gerne schwanger werden, aber dann eine dünne Schwangere sein. Das ist für mich ganz schrecklich. Sie wartet jedenfalls all die Jahre auf ein Baby von ihrem frauenschlagenden Mann, und ich hoffe immer, dass es kein Sohn werden wird, dann würde sie vielleicht bald von beiden Seiten, praktisch gesandwicht, geschlagen werden. Sie raucht, säuft, macht extrem viel Sport, vor allem Schwimmen, natürlich nicht für die Gesundheit, sondern für die Figur, die typische Sport- und Yogamissbraucherin. Und wundert sich dann jahrelang, warum sich nichts in ihrer lebensfeindlichen Gebärmutter einnistet. Sie trägt mir ständig neue Fragen auf, die ich Sie fragen soll, und ich verschwende gute Zeit damit, ihre Fragen mit Ihnen durchzugehen, statt mich um mich selber zu kümmern.«
    »Natürlich erinnere ich mich an all die weitergeleiteten Fragen.«
    »Wenn sie es schaffen würde, einmal schwanger zu werden, würde die Frauenärztin ihr sagen: ›Ein bisschen Schwimmen ist in Ordnung, aber nicht auf dem Level wie vorher.‹ Das wird sie sich nicht bieten lassen, das weiß ich ganz genau. Ihre Frauenärztin hat ihr doch gar nichts zu sagen. Sie wird mich schwanger verrückt machen. Ich kann es schon vorher nicht mehr aushalten, obwohl sie das alles ja erleiden muss, dann. Aber immer die Sprüche zwischendurch: ›Gut, dass du in Therapie gehst, so regelmäßig, du musst das auch wirklich, ich kann aber mein Leben ohne Therapie sehr gut leben, ich brauche keine Hilfe.‹
    Mein Mann hat es immer gewusst. Er hat ab und zu mal ganz vorsichtig nachgefragt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe, was Cathrin angeht.
    Ich will mich im Spiegel angucken können und denken: Mann, sehe ich sexy aus, und Mann, werde ich froh sein, sie los zu sein. Das will ich. Kein Schönheitswahn, kein Hungern mehr. Ich bin eine kleine sexy, gesunde, richtig gut gebaute Frau. Fuck, ja!
    Es ist auch eine gute Idee, wenn man so einen Afrikanerinnenarsch wie ich hat, sich einen Mann zu angeln, der auf Tinto-Brass-Filme steht. Dann darf man als Frau auch immer essen, was man will, und muss nicht den heute so modernen Jungspo aufweisen, null Hüfte und was nicht noch für so einen frauenfeindlichen Scheiß. Dann darf man einen richtigen ordentlichen Frauenarsch haben. Und sogar einen Frauenbauch. Geil!«
    Ich muss lächeln, ich fühle mich körperlich sehr viel besser, seit ich weiß, dass ich weg darf von Cathrin. Ich atme mal ein bisschen durch. Dann kann Frau Drescher auch mal wieder was sagen.
    »Ja, Frau Kiehl, mir ist Ihr besseres Körpergefühl auch schon aufgefallen. Ich werte das auch teils als Therapieerfolg.«
    »Ich auch, Frau Drescher, ich auch. Ich habe ja, wie Sie zur Genüge wissen, auch seit vielen Jahren einen schlimmen Brustkomplex. Wir haben ja schon rausgefunden, dass dieser Komplex in der Schule anfing. Ich muss aber noch viel früher anfangen mit der Geschichte. Meine erste Berührung mit Brüsten war natürlich die mit denen von meiner Mutter. Sie stand oft im Badezimmer und hat Katzenwäsche gemacht. Das haben uns alle in unserer Familie beigebracht, um Wasser zu sparen. Ich komme aus einer großen Ökofamilie. Man badet oder duscht nicht jeden Tag, es ist Wasserverschwendung und dazu noch schlecht für die Haut. Mir wurde beigebracht, dass ich nur die schnell stinkenden Stellen, also Füße,

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