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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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zurückdrehen. Ungeschehen machen. Die Ausraster waren schrecklich. Für ihn vor allem. Er wusste nicht ein noch aus. Was ich eigentlich habe, wo das Problem liege. Er fragte mich immer wieder: »Warum willst du mir beweisen, dass ich dich nicht attraktiv finden kann? Dass ich dich nicht begehre? Dass ich dich nicht liebe? Hör doch auf damit!« Ich habe einfach mit aller Kraft versucht eine glückliche Liebe schlechtzumachen. Immer Beweise gesucht, warum er mich nicht liebt, anstatt auf ihn zu hören oder ihn an seinen Taten zu messen, die immer das Gegenteil von dem aussagten, wovor ich mich ständig fürchtete.
    Das alles muss mein Mann bedenken, wenn er eine Frau für mich aussucht. Nicht zu kleine Brüste, das wäre zu auffällig, und auf keinen Fall zu große, damit er nie in Verdacht gerät, rückfällig zu werden. Und wir wollen ja nicht nur mit der Prostituierten schlafen, sondern auch reden und eine lustige Zeit verbringen. Heißt, wir sind sehr anspruchsvolle Puffgänger. Es kann auch passieren, dass Georg eine so sympathisch und lustig findet, dass es dann wieder egal ist, dass sie eher nicht so gut aussieht oder eben doch große Brüste hat und operiert ist. Wir versuchen bei jedem Puffbesuch als das freundlichste Freierpärchen wieder rauszugehen. Fair Trade und Bio, mit sehr viel Trinkgeld.
    Das ist unser Plan für den nächsten Tag. Wenn wir so einen aufregenden Ausflug planen, spukt mir meine Mutter jedes Mal im Kopf rum und sagt: »Mach das nicht! Warum überforderst du dich so für deinen Mann. Gib doch zu, dass das nichts für dich ist.« Ich sehe aber, wie sich mein Mann freut, er bedankt sich die ganze Zeit bei mir. Und weil ich dann selber denke: Wow, bin ich locker. Meine Mutter hat mir gar nichts zu sagen! Ich werde irgendwann schon alleine von der Planung geil. Ich würde das aber nie zugeben. Das muss mein Mann irgendwie spüren und aufgreifen. Bei ihm ist das Prozedere ähnlich, nur dass er es sagen kann.
    Ich würde das gerne bei mir abschaffen, diese Verklemmtheit, dass ich meine Geilheit nicht artikulieren kann. Auch kann ich nicht sagen, was ich will. Er fragt oft, er will es gerne wissen. Im Bett. Fände es sogar geil, wenn ich mal was verlangen würde. Aber ich kann nicht. Ich bin sprachlos auf dem Gebiet. Ich mache einfach nur alles mit, was er will. Alles. Und werde jedes Mal von allem, was er macht, geil. Was Eigenes kommt da nicht. Fast so, als könnte ich nur geil werden, wenn ich sehe, wie geil ich und mein Körper ihn machen, therapeutisch sagt man dazu: spiegeln. Meine Geilheit existiert nur, wenn ich seine Geilheit spiegele.
    Ich werde aber verhindern, dass wir heute Abend Sex haben. Hatten wir ja schon am Nachmittag. Ich mag keine Maßlosigkeit auf dem Gebiet. Wir sind ja keine zwanzig mehr! Außerdem müssen wir uns auch ein bisschen aufsparen, wie Fußballspieler für das schwere Spiel morgen. Außerdem habe ich nicht gerne Sex, wenn das Kind da ist. Außerdem, außerdem, außerdem. Ich finde immer viele Argumente gegen Sex und wenige dafür. Das Kind darf die Eltern niemals beim Sex erwischen. Kind und Sexualität müssen streng getrennt werden, damit man das Kind nicht überfordert. Wir sind ja keine Lehrer an der Odenwaldschule! Das Kind ist jetzt sieben Jahre auf der Welt, und wir haben es geschafft, dass es uns noch nie erwischt hat. Nicht im Elternbett, nicht auf der Couch, nicht nachts, nicht tagsüber. Da sind wir sehr stolz drauf. Ich kenne nur Menschen, die großen Schaden davongetragen haben, wenn sie mal aus Versehen ihre Eltern erwischt haben. Das möchte ich meiner Tochter auf jeden Fall ersparen.
    Wir sitzen da und reden über den Puffbesuch, und auf einmal bemerke ich ein starkes Kribbeln und Jucken am Poloch. Ist das Geilheit? Kann nicht sein. Das habe ich noch nie so gehabt. Achtung, Krankheit. Ich denke sofort: Danke, lieber nicht vorhandener Gott, oder auch: Danke, liebe Mutter, dass du mich vor dem Ausflug morgen rettest. Ich habe sofort einen Verdacht, was das sein könnte. Aber eben nur einen Verdacht, weil ich es im Erwachsenenalter noch nie hatte. Ich nehme meinem Mann den Laptop weg, er surft auf der Seite des Puffs, guckt sich die Damen an, die da online sind, was nicht viel bringt, weil Prostituierte eh machen, was sie wollen. Nur weil sie online auf einem Foto sind, heißt das noch lange nicht, dass sie auch gerade da arbeiten oder morgen da sind. Man muss persönlich auftauchen und direkten Augenkontakt suchen, egal, wie unangenehm einem das

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