Schottische Ballade
“ Er verbeugte sich tief vor ihr. „Ich entführe Euch meine Lady für einen Tanz oder zwei.“
„Natürlich. Diese Nacht ist zum Tanzen wie geschaffen.“ Glenda warf einen sehnsüchtigen Blick zu Alexander, der am Kamin stand, in eine Unterhaltung mit Georas und Eneas vertieft.
Die unheiligen Drei, dachte Lion. Es missfiel ihm, dass der Earl Glenda von Tag zu Tag weniger beachtete. „Möchtet Ihr, dass uns Alexander Gesellschaft leistet?“
„Nein“, sagte Glenda rasch. Sie strich mit zitternden Fingern über eine dunkle Stelle unter ihrem rechten Ohr. Eine Prellung? Alexander würde es gewiss nicht wagen, eine Dame zu schlagen. „Er... er hat wichtigere Dinge zu tun, als für meine Unterhaltung zu sorgen.“
„Ich bleibe bei Euch, und wir setzen unser Gespräch fort“, sagte Rowena.
„Nein.“ Lady Glenda straffte ihre Schultern und stand auf. „Geht nur und tanzt. Ich muss mit Donald reden, Vorbereitungen für die morgigen Spiele treffen. “
Rowena ging bereitwillig mit Lion, doch als sie den kleinen Platz erreichten, den man zum Tanzen freigehalten hatte, hielt sie an. „Mir ist nicht nach Tanzen zu Mute.“ Ihre Züge waren verschlossen, ihre Lippen zusammengepresst. Er kannte diesen Ausdruck nur zu gut.
„Ja, es ist zu eng hier.“ Er nahm ihren Arm, ohne auf ihre Zustimmung zu warten, und entfernte sich mit ihr aus der Halle.
„Wohin gehen wir?“
„Weder in mein Gemach noch in deines, obwohl ich das vor allem anderen bevorzugen würde.“ Er führte sie hinaus in den Korridor, dann über die enge Wendeltreppe. Drei Stockwerke stiegen sie empor. Als er die Tür zu den Zinnen aufstieß, schlug ihnen frische kühle Luft entgegen.
„Ah.“ Sie huschte an ihm vorbei, warf ihren Kopf zurück, als sie die Brustwehr zu der Mauer dahinter überquerten.
Lion trat zu ihr und lehnte sich an den kalten Stein, als sie in die dunkle Nacht hinausblickten. Die leichte Brise roch nach feuchter Erde. Ein paar dünne Wolken zogen an der schmalen Mondsichel vorbei. Von unten vernahm man das Gurgeln des Baches, der an der Außenmauer vorbeifloss, unterbrochen von den Rufen der Nachtvögel, die sich auf Beutefang befanden. „Oh, wie sehr habe ich das vermisst“, sagte er und hob das Gesicht, um noch mehr Luft einzuatmen.
„Warum bist du dann nach Frankreich gezogen und so lange dort geblieben?“
„Du kennst die Antwort.“
„Weil dein Vater wünschte, du solltest Welterfahrung sammeln.“ Blass und traurig blickte sie ihn an. „War es das wert?“ Lion runzelte nachdenklich die Stirn. Er konnte fünf Sprachen sprechen und drei davon schreiben. Er wusste eine Anzahl von Musikinstrumenten zu spielen, und er kannte eine Auswahl an Liedern, um die ihn so mancher Barde beneidet hätte. Ein Fechtmeister hatte ihm den Umgang mit der Klinge beigebracht. Ein französischer Marschall hatte ihn Strategie gelehrt, eine Burg zu erobern oder sie zu verteidigen. Doch das alles zu erwähnen hieße prahlen, und Lion hatte gelernt, dass ein Mann, der sein eigenes Horn blasen musste, nicht wert war, es zu spielen.
„Ich habe gelernt, dass die halbe Welt denkt, wir Schotten seien fremdartige Unmenschen“, sagte Lion.
„Gewiss nicht du“, sagte Rowena. „Deine ganze Familie kann lesen und schreiben.“
„Ja. Hast du Zeit gefunden, mit dem Lernen fortzufahren?“ fragte er und erinnerte sich an die warmen Sommernachmittage, die er damit verbracht hatte, ihr das Alphabet beizubringen ... neben anderen Dingen.
„Ich habe immer noch die beiden Bücher, die du mir gabst.“ Sie lächelte schwach. „Obwohl sie ein wenig zerrissen sind vom häufigen Lesen.“
„Ich werde zusehen, dass ich noch ein paar mehr finde.“ Er erinnerte sich an die große Büchersammlung auf Kinduin und fragte sich, wie er sie wohl dorthin locken könnte. „Meine unbedeutende Erziehung hat die Franzosen nicht beeindruckt. Man hat mich wie einen Schweinezüchter behandelt, der sich an den Hof verirrte. “
„Das musste für dein Selbstvertrauen ein wenig dämpfend gewesen sein“, neckte sie.
„Oh, das war es.“ Lion lachte stillvergnügt vor sich hin. „Doch es waren zu viele, um gegen sie alle zu kämpfen. Das musste ich als Erstes lernen. Mit jemandem abzurechnen, ohne das Schwert zu ziehen oder die Stimme zu erheben.“
„Wie hast du das getan?“
„Ich wurde besser als sie ... in allem.“
Ja, er hat diese Entschlossenheit, den Willen und den Verstand dazu, dachte sie nachdenklich und betrachtete ihn von der
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