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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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auch ein bisschen teuer, nicht wahr?«
    »Kann sein, aber ich kenne mich mit dem Kram eben nicht aus, das habe ich euch gleich gesagt.«
    Ryan zog seine Brieftasche aus der Jacke und reichte sie Billy. »Das Geld ist abgezählt und stimmt. Also verrechne dich nicht, sonst müssen wir von vorn anfangen.«
    Der Reihe nach kamen die Männer an den Tisch und meldeten ihre Ansprüche. Ein altes Nachtgeschirr, ein Babybesteck, eine Petroleumlampe, ein Spinnrad, eine bemalte Milchkanne: Etwa sechzig verschiedene Sachen wurden aufgerufen und bezahlt, und nach einer guten Stunde war alles vorbei.
    Ryan atmete auf. Er hatte die Männer nicht belogen, als er sagte, alles sei verkauft worden. Er hatte den Krempel eben selbst gekauft, so einfach war das.
    Als er später nach Hause fuhr, dachte er an die Gespräche des Abends und wusste, dass sich etwas Entscheidendes geändert hatte. Er konnte es noch nicht genau benennen, aber es war etwas, was ihn unzufrieden machte. Die Beschaulichkeit seiner knapp bemessenen Ferientage war vorbei, für immer. Schuld daran waren nicht die äußeren Umstände, der Ärger mit den toten Schafen etwa oder der Einbruch in sein Haus, schuld daran war ein plötzlich gestörtes Gefühl des Vertrauens zwischen ihm und den Männern, diese Freundschaft, die unvermutet auf tönernen Füßen stand und keineswegs mehr selbstverständlich war. Gleichzeitig wusste er, dass es keine Möglichkeit gab, diese Probleme geradezubiegen. Für die Bauern änderte sich im Grunde gar nichts, wenn sie schon immer wussten, wer er war, für ihn aber änderte sich alles.
    Ryan bremste scharf. Unverhofft war er in eine dichte Nebelwand gefahren. Eben noch hatten die Scheinwerfer die nächste Kurve ausgeleuchtet, und Sekunden später war er umhüllt von dicken, grauweißen Wolken, die vom Firth hereingezogen waren. Wie eine Wand lag die trübe Masse über dem Land, und es war unmöglich weiterzufahren. Ryan machte die Lampen aus, die in der milchigen Masse nur blendeten, und versuchte, in der Dunkelheit wenigstens den Straßenrand zu erkennen, um sich daran entlangzutasten. Er öffnete das Fenster in der Hoffnung, einen etwas besseren Blick zu bekommen, aber die graue Feuchtigkeit legte sich sofort auf sein Gesicht und füllte den Wagen. Er sah auf die Uhr. Wenn er zu Fuß weitergehen würde, brauchte er schätzungsweise noch etwa eine halbe Stunde, vorausgesetzt, er wusste genau, wo er sich befand. Aber das war dummerweise nicht der Fall. Er hatte sich viel zu sehr mit seinen Problemen befasst, anstatt auf die Straße zu achten. Bei gutem Wetter wäre er automatisch an der richtigen Stelle abgebogen, um zum Cottage zu kommen, jetzt aber starrte er ziemlich ratlos in die Nebelwand vor sich. Selbst wenn er zu Fuß weiterging, musste er den Wagen irgendwo abstellen. Auf der einspurigen Straße konnte er ihn nicht einfach stehen lassen. Hier war selbst bei bestem Wetter ein Überholen schwierig, weil es so wenig Ausweichmöglichkeiten gab. Er machte die Scheinwerfer wieder an, um andere Autofahrer zu warnen, falls so spät noch jemand unterwegs war, nahm die Taschenlampe und stieg aus. Vorsichtig ging er um den Wagen herum, bis er Gras unter den Füßen spürte. Dann beleuchtete er den schmalen Streifen und dann die Feldsteinmauer, die gleich daneben begann. Er ging ein Stück daran entlang, in der Hoffnung, eine Einfahrt zu einer Weide zu finden, aber die Suche war vergeblich. Dann ging er zurück und versuchte es auf der Strecke, die er gerade gekommen war. Nach etwa fünfzig Metern wurde der Nebel dünner und hörte schließlich ganz auf. Wenn er den Wagen vorsichtig zurückfuhr, würde er aus dem Nebel herauskommen und dann eine Weideeinfahrt suchen. Schritt für Schritt setzte er den Landrover zurück, immer ein paar Grasbüschel am Wegesrand im Blick. Wenig später hatte er es geschafft. Er gab mehr Gas und rollte schneller, schließlich fand er eine Öffnung in der Mauer und lenkte den Wagen hinein. Als er ausstieg, merkte er, dass er nass geschwitzt war. Nicht nur Hemd und Jacke waren feucht, auch die Hose war durchgeschwitzt und klebte so an den Beinen, dass er kaum laufen konnte. Er zog sie aus, warf sie über die Schulter, verschloss den Wagen und machte sich in Shorts auf den Heimweg.
    Die benötigte Zeit hatte er gut geschätzt. Eine halbe Stunde später erreichte er, im spärlichen Licht seiner Taschenlampe, die Einfahrt zu seinem Gelände, und nach wenigen Minuten war er zu Hause, begeistert empfangen von einer

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