Schottische Disteln
Freundschaft geht.«
»Wir wollten mal sehen, ob du dich in der Öffentlichkeit schämst, auf unserer Seite zu stehen und unseren Krempel zu verkaufen.«
»Dass du ein Clanchef bist, wussten wir, aber ob du wirklich auch ein Freund bist, wollten wir wissen.«
Aus der ganzen Wirtsstube ertönten jetzt Stimmen.
»Hast dich aber prima geschlagen.«
»Bist echt gut damit fertig geworden.«
»Wo ist unser Kram eigentlich jetzt?«
»Wir haben dich natürlich beobachtet. Ist doch klar.«
»Wir haben unsere Frauen losgeschickt, um nachzusehen.«
»Also«, rief Ryan in das Durcheinander, stand wieder auf und hob die Hände, »darf ich jetzt auch mal etwas sagen?«
»Klar doch. Erkläre uns den ganzen Zauber mal von Anfang an.«
»Ich liebe das Land und die Menschen hier, schon immer. So viel zum Anfang. Aber ich liebe auch die Ruhe und den Frieden bei euch, und beides wollte ich auf keinen Fall stören. Ich wollte nicht als Mann hier auftreten, der an dieser Küste seinen Luxusurlaub mit Forellenfang und Moorhuhnjagd verbringt, denn das liegt mir nicht, sondern als einer, der sich in Ruhe und in der Gesellschaft netter Männer erholt. Einer, der Holz hacken und in der Kneipe herumsitzen kann, wenn‘s ihm Spaß macht, der mit dem Meer um seinen Bootssteg kämpft und mit dem Wind um sein Dach, wenn‘s nötig ist. Diese Atmosphäre war mir wichtiger als die Wahrheit.«
Er machte eine kurze Pause und sah in die Runde. Dann fuhr er fort: »Heute muss ich mich entschuldigen, weil ich dachte, ich könnte euch täuschen, und ich würde verstehen, wenn ihr jetzt auf meine Freundschaft keinen Wert mehr legt. Wenn ihr mich aber trotzdem akzeptiert, dann bin ich ab morgen wieder Ryan, der Schäfer, und sonst nichts.«
»Hast ganz schön versucht, uns an der Nase herumzuführen. Ist dir aber nicht geglückt. Ich denke mal, wir waren die besseren Schauspieler. Wir haben dich ja auch beschwindelt, als wir nicht verraten haben, dass wir dich besser kennen, als du denkst.«
Billy, der für alle sprach, sah sich um. »Deshalb sind wir uns darin einig: Du bleibst unser Freund, solange du nicht den Laird hervorkehrst.«
Ein paar Männer klopften mit den Fäusten auf die Tische und signalisierten damit Einverständnis. Zustimmendes Gemurmel erfüllte die Wirtschaft.
»So, und jetzt hol ich dir deine Portion Fish and Chips und dein Bier, und dann rechnen wir den Krempel ab. Mal sehen, wie du dich da aus der Affäre ziehst.«
Mit viel Gelächter und zahlreichen Trinksprüchen begleiteten die Männer Ryans Mahlzeit, und er überlegte, was wohl seine Direktoren sagen würden, wenn sie ihn hier in diesem stinkenden Pub erlebten. Er war für sie eine Persönlichkeit, die Macht und Selbstvertrauen ausstrahlte und nicht die kleinste Unsicherheit erlaubte, ein Chef, der sich selbst die strengsten Maßstäbe setzte. Und dann diese Männer hier, die er um Entschuldigung bitten musste, damit sie ihn als Freund akzeptierten und nicht als den eigentlichen Herren ihrer kleinen Farmen. Zum Glück hatte er gründlich überlegt, wie er sich mit dem Trödel aus der Affäre ziehen konnte.
Als er sein Essen beendet hatte und der Tisch abgeräumt war, zog er die Liste mit den aufgeführten alten Sachen aus der Tasche. Die Männer standen auf und umringten seinen Tisch.
»Na los, wo sind eure Aufstellungen? Und wer führt hier Buch, damit alles seine Ordnung hat?«
Steve, der Fischer, der Ryans Gewehr gefunden hatte, meldete sich. »Ich bin ganz gut im Rechnen, das ist was für mich.« Er setzte sich neben Ryan an den Tisch und wischte mit dem Ärmel letzte Kartoffelkrümel weg.
»So«, erklärte er. »Wer fängt an?«
Ryan sah in die Runde. »Also, damit ihr nicht lange herumrätselt, die Sachen sind alle verkauft. Nicht auf dem Trödelmarkt, sondern privat. Ich habe bei allem die Preise erzielt, die ihr aufgeschrieben habt. Wer im Einzelnen die Sachen gekauft hat, ist nicht wichtig. Ich denke, nur der Gewinn zählt. Habe ich Recht?«
Als sich zustimmendes Geraune erhob, fuhr Ryan fort: »Wir zahlen das Geld jetzt gleich aus. Wer kann das übernehmen?«
»Das mache ich«, erklärte der Wirt und setzte sich an die andere Seite des Tisches.
»Aber erklär uns vorher noch, woher du die Sachen hattest, die auf deinem Tisch lagen. Die Frauen erzählten von sehr schöner Leinenwäsche, von alten Leuchtern und von wertvollem Porzellan.«
»Na, woher wohl, aus meiner Abstellkammer in Aberdeen, aber davon bin ich kein Stück losgeworden.«
»War ja
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