Schottische Engel: Roman (German Edition)
herunterkam. »Was ist los? Warum weinst du denn?«
»Ich will zu meiner Mum, und ich will kein Kleid anziehen. Die fremde Frau hat mich auf einen Tisch gestellt. Ich will nicht auf einen Tisch, da fällt man doch runter.«
»Das stimmt, da fällt man runter.« Fragend sah er zu Mary hinauf, die sich über das Treppengeländer beugte. »Warum muss sie denn auf einem Tisch stehen?«
»Damit sie beim Anziehen still steht.«
»Ach was. Bring ihre Kleidung runter, ich mache das selbst.«
»Sie kennt mich doch noch gar nicht«, versuchte Mary sich zu entschuldigen.
Aber David schüttelte den Kopf. »Anscheinend muss man sich hier um alles selbst kümmern. Wo ist die Nanny?« Und dann rief er laut schallend »Melanie« durch das Haus.
David war nervös. Es lief alles anders, als er sich das vorgestellt hatte. ›Dass das Kind mich als Fremden betrachtet, ist kein Wunder. Sie sieht mich viel zu selten und viel zu kurz. Joan hat alles getan, um mich und Tatjana zu entfremden. Aber ich habe doch wenigstens gehofft, dass diese Fremdheit schnell verfliegen würde. Und dann Mary, die so zurückhaltend ist, von der ich Liebe und Überschwang für meinen kleinen Engel erwartet habe. Na ja, und Melanie ist einfach hilflos. Sie kann mit der Situation überhaupt nicht umgehen. Wo steckt sie jetzt nur wieder? Wahrscheinlich packt sie ihren Koffer voll mit eigener Kleidung und Kosmetika, statt sich um das Kind zu kümmern.‹
Er nahm Tatjana an die Hand und ging mit ihr wieder nach oben. »Bitte, Mary, such Melanie, sie muss das Kind anziehen. Vielleicht kannst du inzwischen ein paar Kleidungsstücke für die Kleine einpacken.«
»Ja, natürlich.« Mary suchte Melanie und fand die Nanny in Tränen aufgelöst in ihrem Zimmer. »Was ist denn passiert, Melanie? Mister McClay kümmert sich doch um alles, Sie können ganz beruhigt sein.«
»Ich soll mit Tatjana mitfahren, und ich weiß, dass es meine Pflicht ist, mich um das Kind zu kümmern, ich bin schließlich die Einzige, die das Kind wirklich kennt. Aber ich will nicht fort. Ich habe hier meine Familie, und ich habe einen Freund, der schon einen Heiratsantrag angedeutet hat.«
»Aber Melanie, Ihr Freund wird doch so einen kleinen Abstecher nach ›Lone House‹ verkraften. Wenn er über die Autobahn fährt, ist er in weniger als zwei Stunden am St. Mary's Loch.«
»Aber ich will nicht in diese Einsamkeit. Miss Barkley hat mir erzählt, dass es dort nur das Schloss gibt und die Angestellten vom Lord. Ich bin aber jung, ich will abends ausgehen, ich will andere Leute und ein bisschen Spaß um mich haben.«
Mary konnte Melanie sehr gut verstehen. Die Einsamkeit war schön, wenn man sich erholen wollte und Abstand vom täglichen Stress brauchte. Aber immer dort zu leben, weil ein kleines Kind dort sein Zuhause hatte, dass würde auch sie nicht ertragen.
Sie setzte sich neben Melanie, die zusammengekrümmt auf ihrem Bett hockte. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, aber zunächst muss der unter uns bleiben.«
»Ja?«
»Sie kommen jetzt erst einmal mit, nur so lange, bis Tatjana sich an den Vater und an mich gewöhnt hat. Und dann rede ich mit dem Lord und erkläre ihm, dass Tatjana jetzt keine Nanny mehr braucht, sondern eine Gouvernante, die auch mit dem Schulunterricht beginnen muss.«
»Das würden Sie tun?«
»Ja, ich verspreche es. Das Kind ist alt genug, um sich selbst anzuziehen, das braucht keine Babybetreuung mehr, sondern eine energische Hand, die es in die Zukunft führt. Und außerdem wissen wir nicht, wann die Mutter aus dem Krankenhaus kommt, sie wird sich dann wieder selbst um ihre Tochter kümmern wollen.«
Aber Melanie schüttelte den Kopf. »Die Miss hat aber nie Zeit für die Kleine. Sie kann sich nur als Mutter ausgeben, weil ich immer da war.«
»Das ist dann nicht mehr unser Problem. Erst muss sie gesund werden, und bis dahin muss der Lord sich um alles kümmern.«
Melanie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sie gesund wird. Der Polizist hat so etwas angedeutet.«
Erschrocken sah Mary das Mädchen an. »Was hat er denn genau gesagt?«
»Na ja, er meinte, der Kopf sei total kaputt, da könnten auch die Ärzte nicht mehr viel machen.«
»Um Himmels willen, erzählen Sie das niemandem. Der Lord muss das von einem Facharzt hören, nicht von einem Polizisten.«
»Nein, nein, ich sage nichts. Aber wir brauchen, glaube ich, nicht mit ihrer Rückkehr zu rechnen, und dann bin ich erst mal fest an das Kind gebunden.«
»Ich werde dafür sorgen,
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