Schottlands Wächter (German Edition)
Wolken über den Himmel jagte. Endlich ließ der Sturm nach. Die Wolken rissen auf. Vorsichtig tasteten die ersten Sonnenstrahlen durch die Wipfel der Bäume und die Vögel trauten sich wieder aus ihren Verstecken hervor. Bald war die Luft erfüllt von ihrem Gezwitscher. Geduldig wartete Bryanna auf Kaylee. Endlich kam sie zurückgeschlendert. „Es ist traumhaft schön hier. Mir kommt es vor, als wäre dieser Garten mit Magie erschaffen.”
„Mackenzie hatte eben viel Geduld. Können wir jetzt weiter?”, fragte Bryanna.
„Ich würde gern etwas Trockenes anziehen.”
Bryanna wühlte in ihrem Rucksack herum, bis sie ein paar trockene Sachen für Kaylee gefunden hatte. Die eigenen Sachen trocknete sie mit ihrem Wärmezauber, das ging schneller. Kaylee öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke und zuckte zusammen.
„Ich habe meinen Ebereschenstrauß verloren.”
„Warte, ich gebe dir die Hälfte von meinem.” As der Ferne näherten sich Stimmen. „Ich gebe es dir später. Wir müssen uns beeilen. Die ersten Besucher sind hereingelassen worden.”
Kaylee zog sich so schnell es ging um. Als sie fertig war, hakte sie sich bei Bryanna unter. Sie hoben gerade noch rechtzeitig ab. Ein älteres Pärchen bog eben in den Weg zur Bank ein.
„Zum Glück haben sie uns nicht gesehen.” Bryanna flog nach Südwesten. Aus der Luft wirkte der Garten wie ein buntes Meer. Die kräftigen Farben der Rhododendrenblüten mischten sich mit dem zarten Grün der Laubbäume und den vielen Frühblühern zu einem zauberhaften Ganzen.
Kaylee seufzte. „Schade, dass wir nicht bleiben können.”
„Je schneller wir mit der Cailleach sprechen können, desto eher ist unsere Reise vorüber. Wenn wir beide überleben, besuchen wir den Garten noch einmal.” Bryanna flog schneller.
„Weißt du was komisch ist?” Kaylee wartete nicht auf ihre Antwort. „Wir waren an so vielen Orten in Schottland und Alba, aber nicht ein einziges mal in den Borders. Glaubst du unsere Lehrer haben das vergessen?”
„Vielleicht gibt es da niemanden, den wir treffen müssen.”
Kaylee zuckte mit den Schultern. „Oder sie halten uns absichtlich von der Grenze zu Albion fern. Da gibt es Banditen, und einige von ihnen sind ziemlich gefährlich.”
„Als ob das, was wir bisher erlebt haben nicht gefährlich gewesen wäre.” Bryannas Lachen klang müde. Sie war vom vielen Reisen erschöpft und wollte so schnell wie möglich zur Cailleach.
„Alles in allen bin ich ganz froh, dass wir uns dem Ende unserer Reise nähern.” Kaylee schien die Nase auch voll vom Herumreisen zu haben. Für eine Weile flogen sie schweigend. Etwa auf halbem Weg nach Skye, fragte Kaylee: „Bist du ganz sicher, dass du nicht Wächter werden willst?”
Bryanna zuckte mit den Schultern. Sie wollte nicht zugeben, wie schwer es ihr fiel, auf das Wächteramt zu verzichten. Aber sie war nicht bereit, den geforderten Preis zu zahlen.
Kaylee schwieg einen Moment, bevor sie leise weitersprach. „Hast du nicht auch dieses unglaubliche Gefühl gehabt, als wir das Gewebe flickten? Dieses … Kribbeln, als würdest du endlich das tun, wofür du bestimmt bist?”
Bryanna wusste genau, wovon Kaylee sprach. Sie nickte stumm.
Kaylee staunte. „Darauf willst du wirklich freiwillig verzichten?”
„Wenn ich dann meine Eltern retten kann.” Bryanna zeigte auf die Küste, auf die sie zuflogen. „Da ist Kilt Rock! Wir haben Skye erreicht. Jetzt kann es nicht mehr weit sein.”
Die zerklüfteten Felsen sahen aus, als wären sie gefaltet wie der Stoff eines Schottenrocks, eines Kilts. Ein Fluss stürzte über die Kante und das Wasser schien endlos lange zu brauchen, bis es sich mit dem Meer vereinte. Bryanna war beeindruckt.
Sie flogen nach Südwesten, wie es die Doonie gesagt hatte. Bryanna war überrascht, wie wenig Wald sie auf ihrem Flug sah. Dafür gab es zahllose Schafe, deren Lämmer blökend im Gebüsch verschwanden, wenn der Schatten der Mädchen auf sie fiel. Bald tauchten in der Ferne die ersten Hügel auf.
„Merkwürdig. Ich war mit Vater an so vielen Orten in Schottland, aber nach Skye hat er mich nie mitgenommen.”
„Skye ist einer der letzten Orte, wo es noch Schwachstellen zwischen Schottland und Faerie gibt. Vielleicht hatte er Angst um dich”, sagte Kaylee.
Wie ein Wirbelwind schoss etwas an ihnen vorbei, und eine männliche Stimme rief: „Fang auf, Kaylee!” Instinktiv packte Kaylee das silberne Geschoss, das ihr entgegen geflogen kam und sah sich suchend nach
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