Schottlands Wächter (German Edition)
betrachtete sie mit großen Augen, während sich seine spitzen Ohren hin und her drehten. Nach einer Weile hatte Bryanna keine Lust mehr zu gehen. Sie hob ab und zog den Pater mit sich, der nach Luft schnappte und die Augen schloss. Nun kamen sie wesentlich schneller voran. Hügel, Wiesen und Seen sausten unter ihnen hin. Die Kette verkürzte sich selbständig. Nur wenn sie sich an etwas verhakt hatte, musste Bryanna kurz landen. Während des Fluges zitterte der Pater vor Angst.
Bryanna versuchte ihn zu beruhigen. „Es wird Ihnen nichts passieren. Ich bin schon sehr oft geflogen.”
„Da habe ich keine Bedenken. Ich ertrage nur die Höhe nicht. Hier oben ergreift mich Schwindel.”
„Ich werde mich beeilen. Vielleicht schaffen wir es, die Königin zu erreichen, bevor die Sonne ganz untergeht.” Bryanna flog schneller, während der Pater die Augenlieder fest zusammenpresste.
„Ihr braucht Euch nicht zu eilen. In Faerie wird es niemals vollends dunkel. Wisst ihr denn nicht, dass es das Land des ewigen Zwielichts genannt wird?”
„Gibt es hier keine richtige Nacht mit Sternen, Mond und schwarzem Himmel?”
„Wenn man genau hinsieht, sind die Sterne zu erkennen. Doch der Mond und die Nacht bleiben allen in Faerie versagt. Ich neige zu der Meinung, dass nur entführte Menschen wie ich sie vermissen.” Der Pater atmete schwer.
Bryanna flog tiefer und landete schließlich, denn die Kette hing an einigen Steinen fest, die zu einem großen Herzen zusammengelegt waren. Der Pater atmete erleichtert auf und löste die Kette. „Das ist das Herz Faeries, der Anker zu den anderen Welten. Solltet Ihr es zerstören, erlischt Faerie wie eine Kerze im Wind. Von hier müssen wir nur noch jenem schmalen Pfad folgen, um das königliche Schloss zu erreichen.” Er zeigte auf einen steil ansteigenden Trampelpfad, der sich zwischen schroffen Felsen den Berg hinaufschlängelte.
Für einen Moment war Bryanna versucht, die Steine in alle vier Himmelsrichtungen zu verstreuen, doch dann erinnerte sie sich an die Elfenkinder, ihre Tiere und die wunderschöne Landschaft, über die sie hinweg geflogen waren. Wer bin ich, dass ich es mir anmaßen würde, über Leben und Tod einer ganzen Welt zu entscheiden , dachte sie und folgte dem Pater, der schon ein Stück den Berg hinaufgestiegen war. Sie holte ihn schnell ein.
Hintereinander stiegen sie höher und höher, bis sie um eine letzte Felsnase bogen. Bunte Wimpel flatterten von hohen, zierlichen Türmen eines Schlösschens. Feine Steinmetzarbeiten rankten sich wie Rosen um die Gebäude und blühten mit steinernen Blumen. Überall quoll üppiges Grün mit farbenfrohen Blüten aus Kübeln, Trögen und Beeten. Der schwere Duft der Blumen hing in der Luft und benebelte Bryanna etwas. Ein kurzer Blick auf die schottische Seite zeigte ihr, dass das Schloss dort eine schroffe, Gras bewachsene Felsformation war, die wie ein abgebrochener Baumstumpf in den Himmel ragte. Die Felsen auf der schottischen Seite ließen sich am ehesten mit einer Trutzburg gleichsetzen, während sie in Faerie auf ein luftiges Sommerschlösschen zugingen.
Am Tor stand ein hoch gewachsener Elf mit edlen Gesichtszügen. Ohne die spitzen Ohren und das Gehörn eines Rehbocks, hätte er wie ein Mensch ausgesehen. Er überragte den Pater um einen halben Meter. Obwohl er unbewaffnet war, hielt ihn Bryanna für gefährlich. Seine grünen Augen funkelten und er verzog den Mund zu einem abfälligen Grinsen, als er den Pater sah. „Du bist diesmal erstaunlich schnell wieder zurück. Ich habe das Gefühl, du liebst Strafen. Dabei solltest du langsam gelernt haben, wie man mit Königinnen umgeht.”
Der Pater ignorierte den Elf und ging an ihm vorbei. Bryanna folgte ihm, wurde aber sofort am Arm gepackt Sie stieß einen Scherzensschrei aus, denn der Elf war nicht gerade sanft.
„Wo willst du hin?”, knurrte er.
Der Pater drehte sich um und sah dem Elf in die Augen. „Dieses Menschenkind hat ein Recht darauf, hier zu sein.”
„Ich will wissen, wer sie ist.”
„Nimm deine Hand von ihr, Puck. Sie ist gekommen, die Königin zu sprechen und es ist nicht an dir, ihr diese Bitte zu verweigern. Glaub mir, mittlerweile kenne ich die Regeln hier in Faerie genauso gut wie du.”
Widerwillig ließ Puck Bryannas Arm los. Der Pater streckte die Hand nach ihr aus. Dankbar nahm sie sie und gemeinsam gingen sie weiter. Noch lange spürte Bryanna Pucks Blick in ihrem Rücken.
Sie wanderten durch lange Korridore, durch deren
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