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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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vorbeiziehende Wolkenlücke das Mondlicht auf sie; die zweidimensionale Eintönigkeit von Licht und Schatten ließ in den Höhlenschatten ihrer Gesichter erkennen, wie sie die Neuigkeit aufnahmen. Sie standen dicht beieinander, und während sie sich unterhielten, machte Hunt die Fender los, die zwischen den beiden Booten eingeklemmt waren.
    »Kannst von Glück sagen, dass du’s nicht warst«, bemerkte der Mann, den Hunt kannte. Er trug einen blauen Pullover und eine leichte Daunenweste.
    Der andere, der ein Sweatshirt trug und ein merkwürdiges Lächeln hatte, das nie zu verschwinden schien, schaute nach achtern zu einer Fähre hinüber, die auf das Festland zuhielt. Hunt blickte nicht auf, sondern machte weiter, band die Fender los und machte sie für die Drogenfracht bereit.
    »Weißt du, die Fender da wirst du nicht brauchen«, sagte der Mann mit dem komischen Lächeln.
    »Aber die Drogen?«
    Der Mann lachte.
    »Wundert mich ja, dass du nicht tot bist«, sagte der Mann mit dem komischen Lächeln.
    »Das habe ich schon seit Jahren gesagt«, warf der Mann in dem Pullover ein und beobachtete Hunt, wartete darauf, dass sich ein Lächeln auf Hunts Gesicht breitmachte. Als keins kam, fügte er hinzu: »Weißt du, du hast Glück. Sie hätten uns auffordern können, dich gleich hier abzuknallen, und keiner hätt’s gewusst.«
    »Haben sie euch dazu aufgefordert?«
    »Wärst du dann noch hier?«
    Hunt erwiderte nichts. Er trat von der Reling zurück, stand da und betrachtete die beiden Männer.
    Der mit dem seltsamen Lächeln ging in die Kabine, wo Hunt Stimmen hörte.
    »Was hat er damit gemeint, ich würde die Fender nicht brauchen?«, fragte Hunt den ersten Mann. Allmählich fühlte er sich bei dem Ganzen ziemlich unbehaglich.
    »Weißt du das nicht?«, fragte der Mann zurück. »Die lassen dich wirklich im Dunkeln tappen, wie? Weißt du denn nicht, warum du hier bist?«
    »Ich weiß verdammt noch mal überhaupt nichts«, brummte Hunt.
    »Ich will damit genauso wenig zu tun haben wie du«, fuhr der Mann fort. »Aber so läuft das nun mal. Das ist der neue Bonus beim Geschäft. Ich brauch dir wohl nicht zu sagen, was passiert, wenn das hier versaut wird.«
    »Die machen dich kalt«, sagte der Mann mit dem seltsamen Lächeln zu Hunt, während er aus der Kabine aufs Deck hinaustrat. »Wundert mich eh, dass du noch am Leben bist.« Er hielt eine junge Frau am Ellbogen. Sie trug ein langärmeliges Hemd und Jeans; ihre Augen waren blutunterlaufen, und auf ihrem Gesicht lag ein verhärmter Ausdruck, als hätte sie geweint.
    Der Mann in dem Pullover trat ein Stück zurück, um die Frau durchzulassen. »Ich bin das auch nicht gewohnt«, beteuerte er.
    »Was bist du nicht gewohnt?«, fragte Hunt.
    Der Mann mit dem komischen Lächeln schob das Mädchen vorwärts. »Deswegen bist du hier.«
    »Wie meinst du das?«
    »Wegen der hier. Dem Mädchen.« Er legte der jungen Frau die Hand auf die Schulter. Sie schüttelte sie ab. »Das ist es, das ist die Übergabe.«
    »Wie meinst du das ›mit dem Mädchen‹?«
    »Das Mädchen«, wiederholte der Mann, der Hunt bekannt war, ausdruckslos. »Es waren zwei Mädchen, aus Ho-Chi-Minh-Stadt. Aber die hier hat Schiss gekriegt. Eigentlich hätte sie in Vancouver umsteigen und nach Seattle weiterfahren sollen.«
    »Was ist mit dem anderen Mädchen?«
    »Ist wohl abgeholt worden«, antwortete der Mann mit dem seltsamen Lächeln. »Hat wahrscheinlich ihre Drogen vor ein paar Stunden ausgeschissen. Die hier ist auch bald so weit.«
    »Wie viel hat sie drin?«
    »Anderthalb Kilo.«
    Hunt rechnete nach. Neunzigtausend Dollar.
    Niemand sah das Mädchen an. Sie stand zwischen den beiden Männern; in der Hand hielt sie eine kleine Handtasche. Das war wohl ihr Handgepäck gewesen, dachte Hunt bei sich.
    »Könnt ihr ihr rüberhelfen?« Hunt streckte die Hand aus. Die junge Frau sah ihn an und schaute dann den Mann mit dem komischen Lächeln an, und er schubste sie auf das andere Boot hinüber.
    »Schön vorsichtig«, bemerkte der Mann mit dem seltsamen Lächeln. »Du willst doch nicht, dass sie platzt.«
    Hunt warf den beiden Männern die Bootsleine hinüber. Der, den er nicht kannte, stand bereits am Ruder. Die Fähre war auf der Rückfahrt von Vancouver vorbeigekommen, und während die beiden Männer die Motoren anspringen ließen, sah Hunt den entschwindenden Lichtern der Fähre nach. Bis zu diesem Moment hatte er ihren gedämpften Maschinenlärm gar nicht bemerkt, und er saß in der Nacht und sah

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