Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
Vom Netzwerk:
kleinen Gummimatte, auf der es nicht ins Rutschen kommen konnte. Der Anwalt hatte noch ein paar Mal angerufen, und Grady wusste, dass er das Treffen mit den Vietnamesen verpasst hatte. Das brauchte der Anwalt ihm nicht zu sagen. Bald würde alles erledigt sein. Hunt tot, und das Heroin abgeliefert. Und wieder dachte er, das Wie spielte keine Rolle, solange der Auftrag erledigt war, solange das Heroin geliefert und Hunt tot war. Bald würden alle zufrieden sein.
    Er dachte an den Ex-Sergeant, mit durchschnittener Kehle, wie er auf dem Asphalt verblutet war; ein Todesröcheln durchlief ihn, ein Zittern in der Lache aus Blut und Urin, wie windgepeitschte Wellen auf einem See. Dann hatte er sich gebückt, hatte an den Knöcheln des Mannes gezerrt und sich darangemacht, ihn über den Kies zu schleifen, während in seinem Haus ein Edelstahltisch wartete, eine Metallsäge und alles, was Grady sich sonst noch vorzustellen vermochte.
    Die Erinnerung an den Ex-Sergeant verging mit dem Hüpfen des Bootes über das Wasser, der Messerkoffer zu seinen Füßen. Das Boot ritt auf den Wellen, und Grady hatte die Messer und das geladene Gewehr parat. Es wäre eine Schande, bei Hunt das Zielfernrohr zu benutzen, aus der Ferne zu töten, doch Grady wusste aus Erfahrung, dass es am besten war, überhaupt nicht gesehen zu werden.
    ***
    Hunt nahm Fahrt weg. Die auslaufende Fähre zog vorbei, und er konnte das ferne Schüttern der Maschinen hören, das tiefe Dröhnen der Fähre, während sie in der Nacht nach Victoria übersetzte. Er schaltete die Motoren ganz aus; überall um ihn herum das Klatschen des Wassers gegen den Rumpf des Bootes. Was konnte er tun, außer zu warten und zu hoffen, das Wasser um sich herum zu fühlen und zu wissen, dass es genauso sein würde und dass sein Leben immer so sein würde?
    Er fischte ein Packung Zigaretten aus der Tasche, die er vor Nora versteckt hatte, zündete sich eine an und fühlte den vertrauten Tabakschwall, und wie sein Kopf diesen kurzen Moment lang in die Luft emporstieg. Dann holte er ein Fernglas hervor und saß da, beobachtete die Fähre und schaute ab und zu auf die Uhr. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern.
    Die Fähre zog vorbei, und binnen zwei Minuten spürte er das dunkle Aufwallen ihrer Heckwelle, und wie sich das Wasser unter ihm bewegte. Er saß auf dem Kapitänsstuhl, drehte sich, so dass er nach hinten schauen konnte, auf seine Motoren und auf die Wellen, wie sie in die Schrauben packten. Die Zigarette war fort, und jetzt spürte er, wie die kühle Nachtluft über ihn hinwegflutete, eine leichte Brise, die über dem Wasser entstand und über den Ozean landeinwärts jagte.
    Hunt hörte das leise Dröhnen eines anderen Bootes; kurze Zeit wurde es stärker, bis es ein kehliges Jaulen war, dann verstummte es völlig. Von dort, wo er saß, konnte er das dunkle Boot aus der Nacht hervorkommen sehen; es trieb fast seitwärts in der Strömung. Nacht überall um sie herum, und die Boote trieben gemeinsam dahin, still und lautlos, wie zwei auf dem Wasser ruhende Schatten. Das andere Boot war größer als Hunts, mit einer großen Kabine auf dem Vorschiff und erhöhtem Cockpit. Zwei Männer, der eine am Ruder, der andere wartete auf dem Achterdeck. Beide beobachteten Hunt.
    Als die Boote sich einander näherten, erkannte Hunt einen der beiden von früheren Deals her. Er trat an die Reling und rief nach einer Leine.
    »Bin ja überrascht, dich hier zu sehen«, meinte der Mann.
    »Wie meinst du das?« Hunt übernahm die Leine, als das Boot längsseits kam.
    »Hätt’s nicht erwartet. Das ist alles.«
    »Was hättest du nicht erwartet?«
    »So einen Deal wie diesen hier. Ich hätte einfach gedacht, das wär nicht dein Ding.«
    »Die verfügbaren Optionen sind gerade ziemlich begrenzt.«
    »Irgendwie fühl ich mich ein bisschen komisch bei dem Ganzen«, sagte der Mann.
    »In letzter Zeit bei allem, wenn man’s recht bedenkt.«
    »Ja, wir haben das von dem Jungen gehört, von dem, mit dem du in den Bergen zusammengearbeitet hast.«
    Hunt schwieg einen Moment. Er hatte nicht gedacht, dass es so sein sollte, und er hatte nicht mit den Schuldgefühlen gerechnet, die er wegen des Jungen empfand. »Habt ihr gehört, dass er tot ist?«
    Der Mann verstummte kurz. »Wie ist es passiert?«
    »In der Arrestzelle, bevor sie mit ihm über die Brücke sind.«
    Der Mann aus dem Cockpit kam zu ihnen an die Reling. Das trübe Licht des Steuerhauses beleuchtete alle drei. Über ihnen fokussierte eine

Weitere Kostenlose Bücher