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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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staunend an. »Wiederhol das noch mal.«
    »Du hast schon richtig gehört«, sagte Matteo lachend und umarmte seine Frau. »Na ja, sie hat die Augen nicht richtig aufgemacht, aber sie hat mich angesehen. Allegra wird leben.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Nicht viel, sie hat nur gesagt, dass sie müde ist. Danach ist sie wieder eingeschlafen. Sie muss bestimmt sehr müde sein, sie hat so lange wach gelegen …«
    »Ich bitte dich, Matti, sie hat doch die ganze Zeit geschlafen …«
    »Nein, sie hat alles mitbekommen, das weiß ich. Sie war nur gefangen in ihrem Körper, aber ihr Geist hat alles wahrgenommen. Und als gestern der Commissario zu ihr gekommen ist, ich glaube, da hat ihr Wille gesagt, he, Körper, wach endlich auf!«
    »Ich frag mich trotzdem, was das mit dem Kommissar zu tun haben soll.«
    »Sie wird ihm etwas zu sagen haben, aber was das ist, das weiß nur Allegra.«
    »Aber du hast dich die ganze Zeit um sie gekümmert. Und jetzt …«
    »Anna, bitte«, sagte er, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, »ich war immer für Allegra da und werde es auch in Zukunft sein. Aber heute, das war etwas so Einzigartiges, das lässt sich kaum beschreiben. Und ist es nicht egal, was der Auslöser dafür war?«
    »Natürlich ist es egal, trotzdem, ich denke, es ist dein Verdienst.«
    »Nein, es war hauptsächlich Allegras Wille, der sie wieder zum Leben erweckt hat. Und außerdem, ich kann doch keine Toten zum Leben erwecken …«
    »Du hast keine Tote, sondern höchstens eine Schlafende aufgeweckt«, fuhr Anna unbeirrt fort, während sie sich wieder setzten. »Und wann willst du es Luca sagen?«
    »Ich weiß es nicht. Er wird sich sehr freuen, aber ich habe ein wenig Angst vor seiner Reaktion, wenn er …« Matteo stockte. Ein paar Tränen liefen ihm über die Wangen, und er hatte Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren, denn mit einem Mal war alles in ihm in Aufruhr.
    Anna sah Matteo liebevoll an. »Ich kann dich ja verstehen. Er wartet aber so sehnsüchtig darauf, dass Allegra aufwacht. Du musst mit ihm sprechen, vor allem jetzt. Er macht sich Hoffnungen.«
    »Gib mir noch ein wenig Zeit, nur noch ein paar Tage. Ich will abwarten, ob Allegra Fortschritte macht. Nur noch ein paar Tage.«
    »Er wird so oder so enttäuscht sein. Er ist sogar eifersüchtig auf Allegra, denn er hat das Gefühl, als würde sie dir mehr bedeuten als er. Andererseits ist er verliebt in sie.«
    »Das weiß ich doch. Aber Luca ist mein Sohn, und ich liebe ihn. Ich liebe dich und ich liebe ihn.«
    Anna nahm Matteo in den Arm und sagte: »Wenn doch nur alle Menschen so viel Liebe hätten wie du. Ich bin stolz auf dich und habe mir nie einen anderen Mann als dich gewünscht. Manchmal frage ich mich, womit ich dich überhaupt verdient habe.«
    »Nein, das sollst du nicht sagen. Ich bin auch nicht so, wie du immer denkst. Ich habe so viele Fehler und Schwächen …«
    »Hast du nicht, höchstens ein paar. Du bist zum Beispiel viel zu gutmütig. Und du lässt dich ausnutzen«, entgegnete sie schmunzelnd. »Trotzdem, du solltest es Luca wirklich bald sagen.«
    »Anna, der Zeitpunkt wird kommen, wo ich es für richtig halte, mit ihm zu sprechen, von Mann zu Mann. Er wird alles verstehen, weil ich es ihm erklären werde.«
    »Was werde ich verstehen, und was wirst du mir erklären?«, fragte Luca, den weder Matteo noch Anna hatten kommen hören.
    »Mein Gott, was schleichst du dich so heran?«, sagte Anna erschrocken.
    »Tschuldigung. Was wollt ihr mir denn nun erklären?« Er trat näher und setzte sich in einen der Sessel, die Beine übereinandergeschlagen, lässig wie ein junger Mann eben. Er war fast so groß wie seine Mutter, hatte breite Schultern und ungewöhnlich lange hellbraune Haare, braune Augen und einen athletischen Körper. Ein Junge von siebzehn Jahren, dem die Mädchen nachschauten und nachliefen, und obwohl er schon einige Freundinnen gehabt hatte, hielt doch keine von ihnen dem Vergleich mit der einen stand, die er verehrte wie keine andere – Allegra. Er schwärmte für sie, seit er zwölf war, aber da war immer Johannes, und Luca wusste, dass er gegen ihn keine Chance hatte. Doch nun, da Johannes tot war, hoffte und betete er für Allegras Leben, und vielleicht kam irgendwann die Zeit, wo sie ein Paar sein würden, auch wenn er gerade erst siebzehn geworden und sie schon fast neunzehn war. Aber was waren schon diese lausigen zwei Jahre, er sah sowieso älter aus und … Es waren Träume und

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