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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Gehörten nicht die Contenance zu verlieren und Müller anzuschreien, wie er es überhaupt wagen konnte, diese Frage zu stellen, wo er doch einen Menschen auf dem Gewissen hatte und sich wie ein Dieb in der Nacht davongeschlichen hatte, doch er mahnte sich zur Beherrschung und antwortete in gemäßigtem Ton: »Das ist schon möglich. Wie gesagt,das hängt vom Richter ab. Wie ist der Name des Toten?«
    »Ewald Zorn. Ich habe erfahren, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls sehr betrunken und ein stadtbekannter Säufer war, der keine Angehörigen hatte. Er hat in einem Männerwohnheim gelebt … Aber das soll um Gottes willen keine Entschuldigung sein. Nein, ich habe schwere Schuld auf mich geladen, ich habe einen Menschen getötet, und das kann ich nie wieder gutmachen. Alles lässt sich irgendwie reparieren, aber kein toter Mensch. Doch ich bin froh, dass das endlich raus ist. Und außerdem war ich ja selber nicht mehr nüchtern.«
    »Und was hat der Unfall mit Wrotzeck zu tun?«
    »Er hat natürlich auch am nächsten Morgen von dem Unfall gehört, und er wusste auch, welchen Weg ich immer von seinem Hof nach Hause nehme. Für ihn hat alles zusammengepasst, die Uhrzeit und so weiter und so fort. Er hat mich auch gleich darauf angesprochen … Nein, der hat das viel zynischer gemacht. Er hat mich so richtig scheinheilig gefragt, ob ich auch von dem Unfall gehört hätte. Ich habe geantwortet, ich hätte davon gehört, und versucht, mir nichts anmerken zu lassen. Aber der hat genau gewusst, dass nur ich derjenige gewesen sein konnte, der als Fahrer in Betracht kam. Er hat noch ein bisschen weitergebohrt, und irgendwann hab ich’s ihm gestanden … Dann hat er auf einmal so getan, als wären wir beste Freunde, was wir vorher nicht waren, denn Wrotzeck gehörte nicht zu denen, die Freunde haben. Tja, und dann kam das mit dem Bullensamen und dem ganzen andern Mist. Ich wollte auch nie in diese Bars und Clubs gehen,aber er hat mich dazu gezwungen. Er hat gesagt, wenn ich nicht mitziehe, geht er zur Polizei. Eiskalt hat er mir das ins Gesicht geschleudert und dabei gegrinst, wie nur Wrotzeck grinsen konnte … Ich weiß, ich hab’s auch nicht anders verdient. Wäre ich damals am Unfallort geblieben, man hätte mir den Führerschein abgenommen und ich hätte meine Strafe bekommen, aber ich wäre nicht erpressbar gewesen. Wrotzeck hätte nichts, aber auch gar nichts machen können. Aber so.« Müller sah seine Frau hilfesuchend an, die aber den Blick nicht erwiderte.
    »Haben Sie Wrotzeck umgebracht, weil Sie seine Erpressungen nicht mehr ausgehalten haben?«
    »Nein, nein, nein! Ich habe einen Menschen überfahren, aber ich habe mit Wrotzecks Tod nicht das Geringste zu tun. Das müssen Sie mir glauben. Ich gebe zu, ich habe ein paarmal mit dem Gedanken gespielt, aber ich wäre zu so was nie fähig.«
    »Hat Wrotzeck noch andere Personen erpresst?«
    »Keine Ahnung, der hat doch nie irgendwas erzählt. Sie kannten Wrotzeck nicht, der hat immer den Mund gehalten, selbst im Puff hat er nicht viel geredet. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass er auch noch mit andern so seine Spielchen getrieben hat.«
    Irgendwie ergibt das alles keinen rechten Sinn, dachte Brandt. Was verschweigt Müller mir noch immer?
    »Herr Müller, um den Unfall werden sich Kollegen von mir kümmern, aber wahrscheinlich nicht vor Montag. Trotzdem bleibt für mich so einiges unklar. Zum Beispiel hat mir eine der Damen in Hanau, eine gewisse Carmen, erzählt, dass die Rechnungen abwechselnd von Ihnen undWrotzeck bezahlt wurden. Wenn Wrotzeck Sie in der Hand hatte, warum hat er dann nicht verlangt, dass Sie alles übernehmen? Das wäre doch nur mehr als logisch gewesen.«
    Müller schluckte wieder schwer, sein Atem ging rasselnd. Er griff zu der Schachtel Zigaretten und zündete sich mit nervösen Fingern eine an.
    »Hat Ihnen Carmen auch gesagt, wie das dort abgelaufen ist?«
    »Ich weiß nicht genau, was Sie meinen. Klären Sie mich auf.«
    »Wrotzeck wollte meistens einen Dreier. Aber ich kann so was nicht. Er hat mich ausgelacht, wenn er … Muss ich noch mehr erzählen?«
    »Schon gut. Trotzdem, warum hat auch er Rechnungen beglichen, wenn er Sie doch in der Hand hatte?«
    »Weil er wusste, dass ich nicht so viel Geld habe. Was glauben Sie denn, was eine Tierarztpraxis so abwirft? Ich bin kein Dermatologe oder Radiologe, die die großen Gelder einkassieren.«
    »Aber er hätte ja auch allein in seine Clubs fahren können.«
    »Sicher hätte er. Aber

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