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Schrei in der Nacht

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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»Haben Sie einen besonderen Grund?«
      Er zuckte die Schultern. »Viele Gründe.
Annähernd alles, was während der letzten paar Tage geschah,
war meine Schuld!«
    »Rogans Schuld!« verbesserte sie ihn.
      Er schüttelte den Kopf. »Meine! Schließlich war ich es, der ihn herausholte!«
      Sie lachte etwas krampfhaft und schüttelte den
Kopf: »Und ich dachte immer, Sie wären intelligent.«
      Etwas von echter Besorgnis schwang in seiner Stimme
mit, als er zurückfragte: »Denken Sie das jetzt nicht
mehr?«
      Warm kam ihre Antwort: »Nun beginnen Sie doch
einmal über alles nachzudenken wie ein intelligenter Mensch. Sie
beschuldigen sich selbst für das, was Rogan getan hat. Gut –
Sie setzten ihn wieder in Freiheit, das will ich zugeben, aber wo
fängt irgendeine Sache eigentlich an? Wo liegen die Ursachen?
Wissen Sie es? Ich bin sicher, daß ich es nicht weiß. Was
machte Rogan zu dem, was er jetzt ist? Was war es, das ihn seinen
gewählten Weg weitergehen ließ? Für das alles sollen
Sie die Schuld haben?« Sie schüttelte den Kopf und setzte
leise hinzu: »Wenn man so weit gehen will, was hätte dann
Sie zu der Sache getrieben?«
    Gedankenlos warf er Kieselsteine in den
Bach. Dann antwortete er: »Irgend etwas, das in den Tiefen der
Kindheit verborgen liegt. Ein strahlender Traum. Fahnen, Helden und die
alten Sagen. Charles, Stuart, Parnell und Wolfe Tone.« Er
seufzte. »Die meisten Männer wachsen heraus aus diesen
Kindereien – aber ich nicht.«
      Sie schüttelte den Kopf. »Nein, da ist noch
etwas anderes. Etwas, das den Iren angeboren ist. Eine Art von ewigem
quälendem Ringen, das sie bis zur Selbstvernichtung treibt.«
      Für einen Moment saß er bewegungslos auf
dem Boden, starrte in den kleinen Bach und dachte darüber nach,
was sie gesagt hatte. Dann sprang er auf und rief ablenkend: »Um
Gottes willen; lassen Sie uns jetzt einmal alles vergessen, wenigstens
für eine halbe oder eine ganze Stunde!« Er reichte ihr seine
Hand und zog sie hoch. »Sehen Sie um sich auf die Hügel, die
Sonne und das Heidekraut. Es ist ein wunderschöner Tag, und er
gehört uns, wir können mit ihm anstellen, wozu wir Lust
haben.«
      Die Glut schoß in ihre Wangen, sie lachte, warf
ihr vom Wind verwehtes Haar zurück und rief aus: »Gut
– was wollen wir tun?«
      »Wir werden in die Berge klettern«, schlug
er vor. »Wir haben bis zum Essen noch genügend Zeit.«
Er ergriff ihre Hand, und sie begannen die Schlucht emporzuklettern.
      Es war kein sehr hoher Berg, aber als sie auf der
Spitze ankamen, mußte sie nach Luft ringen und stieß einen
tiefen Seufzer vor Zufriedenheit aus. »Es ist
wunderschön«, murmelte sie, »ich habe niemals etwas so
Schönes gesehen.«
    Fallon starrte an der Bergseite hinunter
und nickte. Es war wundervoll, aber bei weitem nicht so schön wie
sie selbst. Er stand kurz hinter ihr und betrachtete sie versonnen. Der
Wind preßte ihren Rock eng um die Beine und ließ den
Schwung ihrer makellosen Glieder erkennen. Ihr goldenes Haar schimmerte
in der Sonne. Sie paßte vollkommen in die Szene. Ein strahlendes
Mädchen in einem strahlenden Tag! Schreckliche Traurigkeit
überfiel ihn, weil er wußte, daß dieser Tag ein
besonderes Geschenk des Schicksals an sie war. Eine kurze Atempause,
bevor die Dunkelheit sich endgültig über sie senkte.
      Er riß sich zusammen und ließ vom Wind die
schwarzen Gedanken davontragen. Das Heute gehörte ihnen, und er
begann sich jeder glücklichen Minute dieses Tages zu erfreuen.
Wieder ergriff er ihre Hand und rief aus: »Kommen Sie.«
Dann stürmten sie den Berg hinunter.
      Anne Murray schrie vor Vergnügen auf während
dieses Laufes über Grasbüschel und Felsen. Ohne zu
verschnaufen rannten sie, bis sie wieder in der kleinen Schlucht mit
dem Bach landeten. Atemlos und lachend fiel Anne in Fallons Arme.
Für ein paar Sekunden hielt er sie sanft umfaßt, doch als
sie über seine Schulter sah, weiteten sich ihre Augen. Schnell
drehte er sich um.
      Auf der anderen Seite des Baches stand ein junger Mann
knietief im Heidekraut. Er war groß und mager, mit langem Haar
und gebeugten Schultern, und auf seinem Gesicht lag eine
eigentümliche Leere. Er lächelte, und mit einem flinken
Sprung war er bei ihnen. Er trug einen Schlafsack aus Leinen unter dem
Arm, und in seiner anderen Hand baumelte ein totes Kaninchen. Anne tat
furchtsam einen Schritt rückwärts, aber Fallon legte seinen
Arm schützend um ihre Schulter. »Haben Sie

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