Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Hunderten größtenteils stationären Händlern mit viel Berufserfahrung. Die Onliner, über die während der beiden Tagungstage so viel geredet wurde, suchte man hier vergebens. Sie hatten unmittelbar zuvor in der Hauptstadt ihren eigenen Kongress abgehalten und suchten anschließend nicht gerade die Nähe zum Branchentreffen der »Alten«.
Und wenn die »Jungen« schon die Kongresse der Alteingesessenen meiden, dann zieht es sie erst recht nicht in Massen an die Schreibtische der Tengelmänner, Peek&Cloppenburgs oder Kaufhöfe dieser Welt. »Digital Natives gehen nicht zu uns. Die wollen alle nach Berlin. Das ist in dieser Disziplin die Hauptstadt Europas«, sagte Haub. Zu Pure Playern wie Zalando gingen diese Digital Natives stattdessen. »Bei Zalando haben sie ein Durchschnittsalter von 28 Jahren. Sie machen sich ihre Regeln selber. ›So haben wir das immer gemacht‹ zählt bei denen nicht.«
Klassische Händler zu dynamischen Multichannel-Anbietern zu machen sei ziemlich schwierig. Er habe sich in das Thema Onlinehandel regelrecht »hinein quälen müssen. Das war am Anfang nicht leicht.« Schlimmer noch: Er habe im eigenen Unternehmen die »enormen Widerstände im Top- und Mittelmanagement« erlebt, als er die Tür zum E-Commerce geöffnet habe. »Das ist eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und Angst. Jungspunde von 28 Jahren sagen einem plötzlich, wo es langgeht. Damit muss man erst mal umgehen«, sagte Haub über den Clash der Kulturen und erntete dafür das Gelächter des Publikums. Viele auf den Stühlen zweifelten wohl noch immer, ob der Mann da oben auf dem Podium nicht doch nur einer Mode hinterherläuft, von der in ein paar Jahren niemand mehr sprechen wird. Die Zahl derer, die dieser Meinung noch anhängen, sinkt allerdings in dem Maße, wie die Onliner den Traditionalisten Umsätze abjagen und sie vor Existenzprobleme stellen.
Selbst wenn es in manchen Sparten für Spätstarter noch immer nicht zu spät sein sollte: Dass man für den Sprung in die neue Handelswelt viel Geld und Geduld braucht, das schwant inzwischen auch den Skeptikern. Bei manchen dürfte genau das der Grund dafür sein, dass sie eben diesen Sprung nicht wagen. »Keiner dieser Webshops ist ein oder zwei Jahre nach seiner Gründung erfolgreich und verdient schon Geld. Wie im stationären Handel auch«, sagt Haub aus eigener Erfahrung, »aber wenn ein solches Unternehmen die Chance hat, in fünf Jahren Gewinn zu machen, dann gibt es auch Finanzierungsgeld dafür.«
Der Tengelmann-Chef rät den anderen stationären Händlern mit Blick auf plus.de die Ochsentour. Er empfiehlt ihnen, »sich einen Pure Player anzutun. Ich habe das getan und habe, wie Sie es werden, Lehrgeld zahlen müssen«. Sein Tipp: »Separieren Sie das Start-up von ihrer bestehenden Organisation. Denn die wird alles versuchen, um das Ding klein zu halten.« Was einen Eindruck vom Gezerre gibt, das die Herausforderung Online in alteingesessenen Unternehmen auslösen kann.
Genau diese strikte Trennung von Laden- und Onlinesparte hält auch Reiner Heckel, Gründer und viele Jahre Chef des inzwischen zu MediaSaturn gehörenden Onlinehändlers redcoon, für unumgänglich. (Gespräch 11.07.2012) Die Kulturen beider Bereiche seien völlig unterschiedlich: »Wir arbeiten hier an gebrauchten Tischen aus Frankfurter Bankerbuden. Die sind schön, aber trotzdem günstig. Mit Statussymbolen, mit Chef-Parkplatz Nummer eins oder Vorstandskantine kommen Sie im E-Commerce nicht weit. Da müssen Sie unprätentiös, schnell, schlank aufgestellt sein und mit flachen Hierarchien arbeiten. Das erwarten auch die Mitarbeiter, die in ein Onlineunternehmen kommen. Ins Produkt, in die Dienstleistung muss investiert werden, nicht in Premium-Möbel oder so etwas.«
Und wie passt das unter das Dach eines etablierten Großkonzerns, der jetzt auch den Onlinemarkt erobern will? »Sie müssen ein Internetunternehmen völlig unabhängig von der stationären Sparte aufbauen. Was im stationären Geschäft passiert, darf den Online-Bruder auf keinen Fall beeinflussen. Vor allem müssen sie Online eine Kostenstruktur schaffen, die zu diesem Kanal passt. Und die liegt unter der eines Ladennetzes. Aber wenn ich beide Strukturen vermische, wenn ich dem Onlinehändler die Kostenstruktur eines herkömmlichen Molochs aufdrücke, kann es nicht funktionieren. Weil ich auf meiner Homepage dann Preise aufrufen muss, die gegenüber meinen Online-Konkurrenten nicht konkurrenzfähig sind. Und dann kauft niemand
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