Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
»Der Schrei wurde Kult und die Marke zur Kultmarke im Fashion Retail!« (Quelle: http://etailment.de/thema/e-commerce/mehr-als-kreischalarm-die-erfolgsrezeptur-von-zalando-1104 09.05.2013). Der verwirrte Mann im Kleiderschrank, der angezogene Zalando-Bote auf dem FKK-Campingpatz, die Langhans-WG oder die männlichen Zalando-Kunden in der Kneipe, die sich nicht sprechend, sondern nur brummend verständigen, diese Spots kennt in der Zielgruppe wirklich jeder.
Dass Werbeleute ihre eigenen Ideen gerne zu »Kults« erklären, ist nun nichts Besonderes. Bei Zalando und dem Schrei ist diese Kategorisierung aber durchaus treffend. Dass Fans ständig Ideen für neue Spots an das Unternehmen schicken, auch dass die Reklame bei Facebook gerne persifliert wird, passt da gut ins Bild. Ebenso wie die Szenen bei der Eröffnung des Outlets in Berlin, als so viele Kundinnen in den Ladenhüter-Laden wollten, dass seither nur noch Einlass bekommt, wer sich zuvor über die Homepage eine Art Mitgliedsausweis besorgt hat. Anzeichen eines solchen Kult-Status sind auch andere Aktionen, die mit dem Verstand von erwachsenen Menschen nur schwer zu erklären sind. Wie beim beim Weihnachtsmann-Hype von 2012: Nachdem der oben schon angesprochene Jahresend-Werbespot ein paar Male im Fernsehen gelaufen war, entstand – mutmaßlich auf Facebook – die Idee, den Generationenwechsel im Bescherungsmanagement in Schokolade zu gießen und in buntes Papier zu verpacken. Und tatsächlich gab es plötzlich die Figur eines Schokoladen-Weihnachtsmannes in Gestalt des Zalando-Paketboten! Zunächst allerdings gab es nur sehr wenige davon tatsächlich, dafür aber eine stets wachsende Fangemeinde im Internet, die sich rege über ihr Verlangen nach den Schoko-Zalando-Männern austauschte: »Ich brauche welche!!! Mein Mann ist Postbote und das ist das beste Geschenk, was man ihm machen könnte«, schrieb etwa »Petra« am 16. November 2012 unter http://www.wuestenigel.com/2012/11/16/wo-kann-man-den-zalando-schokomann-kaufen/ . »Mein Mann besteht auf dem Zalando-Weihnachtsboten aus Schokolade. Ist das einzige, was er sich zu Weihnachten wünscht«, verrät »Britta«. Und »Icke« weiß bereits: »Wird es bald bei Kaiser’s und Tengelmann geben«. Nur blöd für »Sonja«: »Ich wohne in der Nähe von Bamberg in Bayern und bei uns gibt es im Umkreis von 180 km keinen Tengelmann. Toll!« Ein Zalando-Mitarbeiter teilt mit, dass er bereits bei der Geschäftsführung nachgefragt habe. »Sobald ich weitere Infos habe, kann ich ja Bescheid geben.
Und obwohl es am Geschmack des schokoladenen Zalando-Mannes durchaus Kritik gab, verkaufte Kaiser’s/Tengelmann, die Supermarktkette von Zalando-Investor Haub, rund 200 000 dieser Figuren. Auf der Zalando-Seite gab es zudem welche zu gewinnen. Und noch lange nach dem Fest schien es einen Markt dafür zu geben: »Ich hab noch welche«, schrieb »jonas« am 25. Januar 2013 auf wuestenigel.com . »Einfach per Mail melden. Ich verschicke ihn für vier Euro plus Porto«. So irrational das auch alles erscheinen mag, so gnadenlos rational arbeitet die Marketing- und Verkaufsmaschinerie, die hinter der Marke Zalando steht und die solche Exzesse wie die mit dem Schoko-Weihnachtsmann erst möglich macht.
Die Marketing-Könige
»Was Zalando bisher an operativen Fähigkeiten gezeigt und insgesamt auf die Beine gestellt hat, ist beachtlich. Es definiert Märkte neu und setzt Rahmenbedingungen. Vor allem sind die Dynamik und die Entschlossenheit bemerkenswert, mit der das Unternehmen innerhalb von vier Jahren praktisch von Null auf eine Milliarde Euro Umsatz gekommen ist«, lobt Jochen Hiemeyer, Geschäftsführer des Bereichs Retail beim Beratungsunternehmen Accenture. Doch er gibt zu bedenken: »Allerdings konnten sich die Gründer dieses Tempo auch leisten, weil sie bisher für ihre Expansion immer genügend Investoren gefunden haben, die ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt haben.« Und das ist bekanntlich längst nicht bei allen Neugründungen der Fall.
Mit einem Teil dieses Geldes hat Zalando ein hervorragendes Steuerungsmodell für seine Marketingausgaben entwickelt. Zum Beispiel beim Werbespot: Noch während er über den Fernsehschirm läuft, beginnt die Auswertung. Dienstleistungsunternehmen registrieren bis ins Kleinste, welche Wirkung etwa das Filmchen mit der Zalando-Pipeline im Garten auf den Traffic auf der Homepage hat: Steigt die Besucherzahl an? Für welche Produkte interessieren sich die Besucher
Weitere Kostenlose Bücher