Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Bildschirm ist die letzte Frage, auf die wir eine Antwort finden werden«, sagt Christoph Lange und meint damit wohl, dass die Onliner zumindest in diesem Punkt die klassischen Läden niemals überholen werden. »Und Geruchs-Sensoren gibt es auch noch nicht«. Bilder in noch höherer Auflösung allerdings seien möglich, noch mehr 360-Grad-Präsentationen und Produktvideos würden dem Kunden in Zukunft das Online-Einkaufen noch bequemer machen. Und für Zalando, darf man hinzufügen, noch kostengünstiger. Denn je besser und realitätsnäher die Präsentation der Ware ist, desto geringer wird die Zahl jener »schlechten« Retouren, bei denen sich Kunden vor der Bestellung schlicht ein falsches Bild vom Produkt gemacht haben.
Die Computer-Programme hinter den Zalando-Seiten sind oftmals selbst gemacht. »Das bringt uns mehr Flexibilität. Und wir können so dafür sorgen, dass die Systeme haargenau auf unsere Anforderungen abgestimmt sind«, erklärt Lange. Das Empfehlungssystem (»Das könnte Ihnen auch gefallen«) und das Suchsystem etwa stammen aus der Abteilung von Christoph Lange. Der erklärt: »Sie können bei der Suche einzelne Begriffe, aber auch einen ganzen Satz eingeben. Etwa: ›Ich suche ein blaues Hemd Größe 38’ – und schon bekommen Sie eines angezeigt.« Das nächste Projekt ist ein neues System zur Empfehlung von »ähnlichen Produkten«. »Wir arbeiten an einer Suche nach visuellen Ähnlichkeiten. So finden Kunden auch ganz neue Produkte, die zuvor vielleicht noch kein Kunde gekauft hat. Diese Artikel tauchten bisher nicht in den Empfehlungen auf«, so Lange.
Die App fürs Smartphone ist auch so eine Eigenentwicklung. Damit kann man nicht nur vom Smartphone aus bestellen. Verwendet man den integrierten Scanner an einem Schuhkarton in irgendeinem Geschäft, weiß der Nutzer blitzschnell den Preis des entsprechenden Modells bei Zalando. Innerhalb weniger Monate luden die Kundinnen und Kunden die App über 600 000 Mal herunter. Damit ist Zalando auch im galoppierenden M-Commerce – das M steht für mobile und bezieht sich neben Smartphones vor allem auf Tablet Computer wie Apples iPad – gut positioniert, dem die Experten riesige Wachstumsraten vorhersagen. »Smartphone und Tablet legen schon jetzt explosionsartig zu«, sagt Esprit-Onliner Michelberger. Er könne sich vorstellen, in seinem Unternehmen in drei Jahren über die Tablets ähnlich viel Umsatz zu machen wie derzeit über klassische PCs. Die mobilen Geräte werden immer schneller und besser«, sagt Berater Hafner, mit entsprechenden Apps bekommt man sofort Videos vom gerade gescannten Produkt, macht blitzschnell Preisvergleiche und wird bald auch mit nur einem zusätzlichen Klick per Smartphone bezahlen können.«
Die Technik von Zalando werde auch das aushalten, ist sich Lange sicher: »Wir haben mehrere Dutzend Server. Die betreiben wir aber nicht selbst, da arbeiten wir mit zwei Dienstleistern zusammen.« Eigene geheimnisumwitterte Serverfarmen in der Arktis oder sonst wo wie etwa Google oder Facebook haben sie laut Lange bei Zalando nicht. »Wir achten sehr auf Sicherheit. Sollte ein Rechenzentrum ausfallen, haben wir noch das andere. Und die meisten Anwendungen sind vorsichtshalber drei- oder viermal vorhanden.« Das funktioniere: Nur einmal, bei der Komplettsystem-Umstellung im August 2010 sei Zalando 90 Minuten lang komplett »down« gewesen, sonst nie. Ganz nebenbei bildet diese hohe verfügbare Kapazität auch einen dringend notwendigen Wachstumspuffer für den Fall, dass sich die Zugriffszahlen mal wieder überschlagen. Denn ein potenzieller Kunde, der aus technischen Gründen nicht auf die Seite kommt, ist in vielen Fällen anschließend ein verlorener Kunde.
Hätten die vielen skeptischen klassischen Händler wegen der hohen Retourenquote für Zalando nicht schon die Daumen nach unten gedreht, würden sie wegen einer anderen betriebswirtschaftlich scheinbar irrsinnigen Eigenart des Berliner Unternehmens die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Denn bei Zalando können die Kunden ihre Ware noch 100 Tage nach der Lieferung zurücksenden. Gerade bei Saisonware sei das fatal, etwa nach dem langen Winter 2013. »Wenn die Kundin Ende März ihren Schuh oder das Top für den Frühling bekommen hat und ihn drei Monate später zurückschickt – ja, glauben Sie etwa, dass Zalando diese Ware noch einmal zum vollen Preis an einen anderen Kunden verkaufen kann?«, fragt ein Onlinehändler. Grundsätzlich gelte: Je länger ein
Weitere Kostenlose Bücher