Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
wir
uns mal streiten.« Beschlüsse müssen im Brüder-Trio, genau wie bei den drei
Zalando-Geschäftsführern auch, einstimmig gefasst werden.
Die drei Samwer-Jungs hatten die besten Voraussetzungen für
ihre spektakuläre Karriere: Vater Sigmar-Jürgen Samwer war in Köln ein
bekannter Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet Presse- und Wettbewerbsrecht. Er
arbeitete unter anderem für Nobelpreisträger Heinrich Böll. Der Großvater war
wesentlich an der Gründung der Gothaer Versicherung beteiligt. Dessen Enkel
Marc (1970), Oliver (1973) und Alexander (1975) starteten 1999 zusammen mit
Freunden mit der Gründung des Online-Auktionshauses Alando. Es war die
Übertragung des Geschäftsmodells der amerikanischen ebay auf Europa.
Solche Klon-Gründungen erwiesen sich fortan als Spezialität der
Samwers, was ihnen immer wieder Kritik aus der Gründer-Szene einbrachte: Die
erfinden ja nichts, die machen ja nur nach, heißt es bis heute. Tatsächlich
übernehmen sie gern die Geschäftsideen anderer Leute. Dann suchen sie
Geldgeber, die sie bisher zumeist in beeindruckender Zahl finden,
perfektionieren das Geschäftssystem und rollen es auf neue Märkte aus. Sie
»skalieren«.
Auch Zalando war, ein Jahrzehnt nach Alando, nichts anderes als
ein Klon des amerikanischen Online-Schuhhändlers Zappos, wobei die Idee nur zum
Teil dem Konto der Samwers zuzuschreiben war, sondern, wie erläutert, in erste
Linie Robert Gentz und David Schneider. Alando indes war nur ein kurzes
Vergnügen für die Brüder: Gerade sechs Monate nach der Gründung kaufte das
Original ebay seine deutsche Kopie für angeblich 43 Millionen Dollar. Oliver
Samwer wurde noch für ein paar Monate Geschäftsführer von ebay Europe. Und soll
es später einmal als Fehler bezeichnet haben, Alando so früh verkauft zu haben.
Mitte 2000 folgte – zusammen mit dem Telefondienstanbieter
Debitel und der Metro-Tochter MediaSaturn – die Gründung des
Klingeltonanbieters Jamba. Oliver und Marc Samwer machten Jamba, deren
Werbespots in kaum zu ertragender Wiederholungsquote etwa beim Musik-TV-Sender
MTV liefen, zur Nummer eins der Branche. Nicht nur wegen der nervigen Töne gab
es immer wieder Ärger, sondern auch, weil Jamba seine Telefongeräusche im
Abonnement auch an Minderjährige verkauft hatte. 2004 war Ruhe,
VeriSign/Newscorp aus den USA kaufte ihnen und den Gründungs-Investoren Jamba
für 273 Millionen Dollar ab. Seither hört man nicht mehr allzu viel von der
Klingelton-Firma.
Seit 2006 waren die Samwer-Brüder über ihr Vehikel »European
Founders Fund« an zahlreichen jungen Firmen beteiligt. Beim Verkauf flossen die
Millionen, und eine Menge davon blieb bei den umtriebigen Brüdern hängen.
Einige Beispiele: der YouTube-Klon myvideo (verkauft an ProSiebenSat1), das Spieleportal bigpoint.com (verkauft an NBC), der Modeanbieter limango (verkauft an Otto), das
Studenten-Netzwerk StudiVZ, der Fotoanbieter myfotobook.de (beide verkauft an
Holtzbrinck Ventures), easytaxi, myhammer, trivago, daWanda, Groupon, home24,
FAB furnish, eDarling, payleven, paymill und viele andere.
Ein paar Jahre hielten die Brüder auch Anteile an Facebook,
beim Ausstieg sollen sie ihren Einsatz verdreifacht haben. Kuschelkurs ist im
brüderlichen Firmen-Imperium nicht gerade angesagt: »Es gibt ganz klare
Verantwortungen. Jeder hat seine Unternehmen, die er von null auf hundert so
erfolgreich macht, wie es eben geht. Alle kann man nutzen und fragen. Jeder
denkt auch für den anderen. Aber jeder ist hundert Prozent verantwortlich für
die Unternehmen, deren Gründer er unterstützt«, sagt Oliver Samwer. Und da ist
Power angesagt: Wer in einem der Unternehmen arbeitet, muss richtig ranklotzen
und versuchen, dem Tempo und den Anforderungen der zumeist unsichtbaren
Vordenker zu folgen. Und er darf nicht empfindlich sein: In manchen seiner
Motivationsmails an die Führungskräfte vergaloppiert sich Oliver Samwer schon
mal kräftig. In einer dieser Mails forderte er von seinen Leuten einen »Blitzkrieg«
zur Eroberung von Märkten. Die Businesspläne müssten »mit Blut« unterschrieben
werden, verlangte er – wofür er sich später entschuldigte.
Schon in seiner Hochschul-Abschlussarbeit forderte er
Firmengründer auf, sich von Mitarbeitern zu trennen, die ihnen nicht
weiterhelfen. Und zwar lieber heute als morgen. Unternehmen, die schlecht
laufen oder »nicht skalieren«, werden schon mal schnell dichtgemacht, etwa in
Japan oder der Türkei. Auch hier verlieren die Samwers ungern
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