Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
kann.
Oder ob es dafür nicht bereits zu spät ist.
Dabei steht die die Entwicklung des couch commerce immer noch
am Anfang. Für die Recherchen zu diesem Buch habe ich zahlreiche Top-Manager
des Einzelhandels und andere Branchenkenner gefragt, in welche
Entwicklungsphase sie den Onlinehandel in Deutschland einordnen würden, wenn
man ein Menschenleben zum Maßstab nähme. Zwar gab es die unterschiedlichsten
Antworten. Aber allen war gemeinsam, dass der Onlinehandel noch längst nicht
erwachsen, sondern noch in der Wachstumsphase oder allenfalls in der Pubertät
sei. Das heißt, um im Bild zu bleiben: Der Onlinehandel ist noch gar nicht
erwachsen, er hat seine besten Jahre erst noch vor sich.
Schockstarre und Ignoranz
Vor allem ältere Konsumenten – und immer auch noch einige
Händler – fragen sich verständnislos, wofür die Menschheit diesen Onlinehandel
eigentlich braucht? Wir haben doch genug Läden. Tatsächlich wäre die Warenversorgung
in Deutschland, der Schweiz oder Österreich wohl kaum zusammengebrochen, wenn
es den E-Commerce nie gegeben hätte. Und doch: Er ist so praktisch.
Eine nie dagewesene Verfügbarkeit von Waren zur Auswahl, eine
bisher unbekannt einfache Vergleichsmöglichkeit von Preisen und Produktdetails
fast von jedem Ort der Welt aus zu jeder Tages- und Nachtzeit, eine immer
schnellere Lieferung nach Hause oder ins Büro und unkomplizierte Rücksendung
bei Nichtgefallen: Alles das spricht für den Einkauf, bei dem der Kunde keinen
Laden mehr betreten muss. Dazu kommt die immer besser werdende Anschaulichkeit
der Produkte auf den elektronischen, oft bereits mobilen Endgeräten. Vielfach
gibt es inzwischen sogar Körperscanner, die sicherstellen sollen, dass
Bestelltes und Besteller auch größenmäßig kompatibel sind. Dass man die Hose
oder die Schuhe vor dem Kauf – anders als in jahrtausendelang eingeübter
Beschaffungskultur üblich – nicht sehen, anfassen, riechen oder anprobieren
kann, stört immer weniger Kunden. Notfalls schickt man es halt zurück.
»Durch den Onlineboom ist der stationäre Einkauf nicht mehr das
alltägliche Ritual«, sagt Rheingold-Geschäftsführer Grünewald, »sondern das
besondere Event.« Und damit ein selteneres. Der Nachteil aus der Sicht des
Konsumpsychologen: »Die Befriedigung, dieses Glücksgefühl nach erfolgreicher
Schlacht am Wühltisch da draußen in der Shoppingwelt ist größer und hält länger
als beim bequemen DHL-Beutezug vom heimischen PC oder vom Smartphone
unterwegs.«
Das jedoch wird den Siegeszug des DHL-Beutezugs kaum aufhalten
können. Schließlich gibt es auch bei Zalando den »Sale«, bei dem die Kunden um
die wenigen, stark rabattierten Stück in genau ihrer Größe kämpfen – und
vielleicht noch ein wenig lauter vor Glück schreien, wenn sie denn tatsächlich
ein um 60 Prozent reduziertes Stücke ihrer Lieblingsmarke erbeutet haben.
Fast jeder fünfte Euro, den die Deutschen für Mode ausgeben,
wird bereits im Internet umgesetzt. Tendenz weiterhin stark steigend. »Online
und Mobilfunk werden den Einzelhandel in den nächsten fünf Jahren stärker
verändern als in den vergangenen 50«, ist sich Jochen Hiemeyer sicher, Chef der
Konsumsparte beim Beratungsunternehmen Accenture. (Accenture: »The Seamless
Consumer Speaks – Are Retailers Listening?«, Februar 2013)
»Die Schwelle Online einzukaufen, wird immer niedriger werden«,
glaubt Unternehmer Ingo Heinrich sicher. Er betreibt mit »Stylefruits« eines
jener social commerce-Unternehmen im Netz, bei dem sich die Nutzer gegenseitig
beraten. Wer Lust dazu hat, kann Outfits mit Textilien verschiedenster Marken
kombinieren. Andere Nutzer, meistens sind es Nutzerinnen, diskutieren dann
Online darüber und können die Teile direkt bestellen. Etwa bei Zalando oder auf
dem Webshop der Herstellermarke. Für Stylefruits und die anderen ähnlich
ausgerichteten Seitenbetreiber fällt dann eine Provision ab.
Die Wissenschaft stimmt Heinrich in seinem Optimismus zu: »Die
Entwicklung ist nicht umkehrbar. Das ist wie bei einem Eisberg: Wir sehen erst
die Spitze und wissen nicht, was noch unter Wasser ist«, sagt EHI-Mann Hudetz.
»Es wird auch weiterhin Läden geben. Der Großteil des Umsatzes in Deutschland
wird sogar weiterhin in Läden gemacht werden.« Bis 2020 könnte nach seiner
Schätzung in der Modebranche in Deutschland fast jeder zweite Euro um internet
umgesetzt werden. Allerdings weiß er um die kurzen Haltbarkeiten solcher
Umsatz-Vorhersagen: »Bisher waren fast
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