Schritte im Schatten (German Edition)
Notizbuch
nachzudenken, und ich schrieb
Spiel mit einem Tiger
.
Für dieses Theaterstück benutzte ich die Warwick Road, wie ich sie empfand, als Szenerie: das Zimmer mit seiner Schreibmaschine und dem hinter dünnen Vorhängen verborgenen Bett, wo die Wände für den Lärm und Gestank der draußen vorbeidonnernden Laster durchlässig schienen, die lärmenden Horden von Jungen, die spätabends hoffnungslos betrunken waren, ein Spiegelbild von Clancys Geschichten über seine Jugend auf der Straße in Chicago auf der »falschen Straßenseite«, das Bordell schräg gegenüber, aus dem die Mädchen manchmal hervorkamen, um Kunden anzulocken oder miteinander zu streiten.
Inzwischen war Oscar Lowenstein auf dem besten Weg, ein erfolgreicher Impresario zu werden. [25] Er hat nichts als Gutes für das Theater und den Film in Großbritannien bewirkt und dafür nicht die Anerkennung erhalten, die er verdient gehabt hätte, aber für mich persönlich hätte er Besseres tun können.
Spiel mit einem Tiger
gefiel ihm, aber er bestand auf Siobhan McKenna für die Hauptrolle. Sie war für vier Jahre gebunden, und das war die Zeit, die wir abwarten mussten. Ich sagte immer wieder, es gebe doch noch andere gute Schauspielerinnen. Aber Impresarios sind oft sehr dickköpfig, und es war Siobhan McKenna oder niemand. Also machen wir einen Sprung nach vorn, nach 1962 . Ted Kotcheff gelang eine brillante Inszenierung, mit einem Gefühl für den Fluss und die Bewegung des Stückes, was bedeutete, dass es, vom ersten Rang aus betrachtet, wie ein langsamer Tanz wirkte. Der männliche Hauptdarsteller war eine Fehlbesetzung. Ich sagte, ich wolle jemanden im Stil von Sam Wanamaker, aber jünger, doch Oscar sagte, nur über meine Leiche. Er und Ted flogen zum Vorsprechen nach New York und kehrten mit jemandem zurück, von dem Männer glauben, dass er auf Frauen anziehend wirkt, einem Mannsbild wie ein Cowboy. Er war ein guter Schauspieler, aber er hatte kein Gefühl für das Zweideutige. Er und Siobhan waren sich von der ersten Minute an spinnefeind, und das merkte man.
Siobhan war eine Art Genie. Sie hatte das, was man gewöhnlich Charisma nennt, aber was ist das? Sie flog von Dublin herüber und fungierte während des Vorsprechens als Spielpartnerin. Es war ein kalter Tag, und im Theater war es eisig. Sie war ein wenig betrunken. Sie hatte eine Erkältung. Sie war in dicke Schichten aus Kleidern gehüllt. Um die vorsprechenden Schauspieler nicht an die Wand zu spielen, saß sie mit dem Rücken zu uns an der Seite der Bühne oder im Zuschauerraum; sie war eine großzügige Schauspielerin und eine gütige Frau. Dennoch konnten wir den Blick nicht von ihr abwenden, von diesem dick verhüllten Rücken, über den sich das dunkelrote Haar ergoss. Man musste sie ganz einfach anschauen: Es war regelrecht anstrengend, nicht sie, sondern ihr Gegenüber im Blick zu halten.
Sie war eine gute Schauspielerin, aber sehr undiszipliniert, weil jemand sie zu Beginn ihrer Karriere als wildes irisches Kind beschrieben hatte, und nun benahm sie sich entsprechend, ganz irische Impulsivität und Launenhaftigkeit, und sie trank viel zu viel. Es war eine Tragödie, dass sie keine Disziplin hatte. An einem Abend konnte sie großartig sein, unvergesslich – und es war nicht schwer, einzusehen, weshalb Oscar sie haben wollte –, aber am nächsten war sie katastrophal, vergaß ihren Text und ihre Gänge und war eindeutig betrunken.
Wir hatten großartige Nebendarsteller. Maureen Prior bekam das Stück zugeschickt, und es gefiel ihr so gut, dass sie, obwohl krank, ihr Bett verließ und bei eisigem und windigem Wetter in das kalte Theater kam, um vorzusprechen. »Ich muss diese Rolle spielen«, sagte sie, »und wenn es mich das Leben kostet.« Sie war perfekt. Auch Godfrey Quigley war gut. Sie waren alle gut. Das Stück kam im Comedy Theatre heraus, und es stand zwei Monate auf dem Spielplan, schaffte es aber nicht ganz, die Unkosten wieder einzuspielen. Harold Hobson, damals der einflussreichste Kritiker, gefiel es: Er nannte es »das auf die verstörendste Art poetische Stück in London«. T. C. Worsley sagte, es »sollte von jedem gesehen werden, der sich für das zeitgenössische Theater und ganz allgemein für das zeitgenössische Leben interessiert«. Milton Shulman bemerkte, es sei empfindsam, voller Mitgefühl und anrührend. Robert Muller sagte, es sei »geschrieben mit sezierender Leidenschaft und wahrheitsgetreu«. Aber diese Bemerkungen entstammen den
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