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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Grundbesitz retten können. Es handelt von der unerträglichen Ignoranz und Dummheit des damaligen provinziellen Russlands. Die Inszenierung mit der zweiten Besetzung bekam es richtig gut hin, es war herzzerreißend, arme Kinder, die ein kurzes Aufflackern von Leben genossen, bevor für sie die Klappe fiel. Aber diese Inszenierung hat niemand gesehen.
    Ich könnte eine Menge darüber sagen, was an John Dexters Inszenierung nicht stimmte – obwohl er gewöhnlich brillant war –, und damals habe ich es auch getan. Kurz vor der Premiere saß ich spätabends mit Laurence Olivier zusammen und sagte ihm, was ich über die ganze Sache dachte, viel zu heftig, weil ich vor Verzweiflung betrunken war. Er war sehr nett. Ich erinnere mich, wie er voller Vitalität, Energie und Mitgefühl steckte – vor allem an die lebensprühende Energie (dieselbe Eigenschaft, die auch Charlie Chaplin hatte, den ich für zehn Minuten mit Miles Malleson auf dem Leicester Square getroffen habe; er hat in meinem Gedächtnis für immer den Eindruck schneller, kraftvoller Bewegungen, flinker, intelligenter dunkler Augen und von Humor und Charme hinterlassen).
    Und das war der Moment, an dem ich mich hinsetzte, um gründlich nachzudenken. Keiner meiner Versuche mit dem Theater war so gelaufen, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich hatte viel Zeit und Mühe auf meine Stücke verwendet. Wenn ich einen Roman schrieb, wurde er wenigstens so gedruckt, wie ich es wollte. Die Qualen, die Anspannung, die schlaflosen Nächte, so viele übersteigerte Emotionen: und wofür? Ich schrieb nicht noch einmal fürs Theater, wohl aber fürs Fernsehen, erfolgreich und ohne Katastrophen oder Missgeschicke.
    Und so ist meine Leidenschaft fürs Theater, mein Ehrgeiz, für die Bühne zu schreiben, in dem großen Vergnügen an Theaterbesuchen in London aufgegangen, diesem Füllhorn großartigen Theaters, und manchmal denke ich: Ach, wenn nur … Aber ich lasse nicht zu, dass dieser Moment der Schwäche andauert.
    Meine Erfahrungen mit dem Theater und später mit der Oper bilden den Hintergrund von
Und wieder die Liebe
, einem Roman, der eine Theatertruppe bei der Arbeit porträtiert.
     
    Und nun eine Begegnung mit den Exgenossen, die sich in keiner Weise von den Konfrontationen mit den Genossen unterschied. Clancy Sigal war in ein Bergarbeiterdorf gefahren, in demselben Geist, in dem ich das fünf Jahre zuvor getan hatte, aber er wurde, da er ein Mann war, sofort ein Teil jener trinkfreudigen Pub- und Clubkultur von Bergleuten in ihrer Freizeit. Er freundete sich mit einem jungen Bergmann namens Len Doherty an und verbrachte etliche Wochenenden mit ihm. Er schrieb
Weekend in Dimlock
in drei Tagen, über meinem Kopf in der Warwick Road, während ich seiner klappernden Schreibmaschine lauschte. Es ist ein brillantes kleines Buch. Ich habe in meinem ganzen Leben nie wieder jemanden mit Clancys Fähigkeit zur exakten Beobachtung auch der winzigsten sozialen Details getroffen. Das Buch wurde veröffentlicht und löste sofort diese absurde, beschämende Reaktion aus, die Leute in der Linken leider Gottes tausendmal erlebt haben. Die Leute, von denen man geglaubt hatte, dass sie das Buch begrüßen müssten, waren diejenigen, die ihm am meisten schadeten.
    Weshalb ist das so? Dieses Buch ist nicht der rechte Ort für den Versuch eines Essays über Literaturkritik und ihre Geschichte bei den Linken. Diese Feindseligkeit per Knopfdruck hat eine lange Tradition; sie geht mindestens bis auf die Methoden der Inquisition zurück und wurde später den Zwecken des Kommunismus angepasst. Jeder neue Autor, jedes neue Buch muss, wenn er oder es erfolgreich sein soll, irgendwie die Pfeile des Neids überleben, aber der Kommunismus verlieh Neid und Eifersucht ein Gewand der Respektabilität, das über der niederträchtigen Wahrheit getragen werden konnte. Unter Bezeichnungen wie »sozialistischer Realismus« waren die Einstellungen der Kommunisten zu Kunst und Literatur der Todfeind von Kunst und Literatur und sind es an manchen Orten noch heute. Wieder und wieder, in einem Land nach dem anderen haben wir erlebt, wie der »sozialistische Realismus« auftauchte, um angesehene Schriftsteller in Grund und Boden zu verdammen. Dies geschah selbst dann noch, als er bereits in seinem Mutterland von jedem Künstler und Schriftsteller wie von den Lesern ebenso gehasst wie verachtet wurde. Was in den siebziger Jahren in den skandinavischen Ländern passierte, ist bezeichnend: Der »sozialistische

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