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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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damals –, dass diese Gleichgültigkeit gegenüber Tatsachen in der Berichterstattung in Kürze an der Tagesordnung sein sollte.
     
    In Kent gab es eine Gemeinschaft oder Kommune, in den dreißiger Jahren von Architekten begründet, die alle Kommunisten waren oder die sozialistische Leidenschaft jener Zeit teilten. Die Idee war, eine exemplarische Lebensweise hervorzubringen. Die Männer arbeiteten in London und fuhren entweder jeden Tag oder übers Wochenende zurück. Inzwischen wird jeder, der dies liest, sich vorstellen können, was folgte, aber der Versuch scheiterte an etwas, womit damals niemand gerechnet hatte. Die Männer waren glücklich, die Kinder begeistert von dieser Großfamilie auf dem Land, aber die Frauen waren unzufrieden. Das war eine Überraschung und eine Enttäuschung für alle. Ich erfuhr davon durch einen der Männer, der mir mit amüsierter Traurigkeit davon erzählte und die Frage stellte, weshalb etwas, das ein Himmel für die Männer und die Kinder war, ein solches Martyrium für die Frauen sein konnte.
     
    Fernseh- und Radiosprecher bestehen immer noch darauf, ausländische Namen falsch auszusprechen, vermutlich, um unsere Unabhängigkeit zu beweisen. Das war für einige von uns sehr peinlich, die es hassten, wenn sich unser Land wie ein Rüpel unter den Nationen benahm.
     
    Dieses Land wurde von Besuchern immer noch als so sanft und höflich und zivilisiert betrachtet, im Vergleich zu anderen Ländern.

Langham Street
W 1
    Vier Jahre nachdem man mir versichert hatte, es sei ausgeschlossen, dass das Wohnrecht geändert würde, wurde es geändert, und ich genoss keinen Mieterschutz mehr. Als ich meinen Anwalt fragte, wie das möglich sei, sagte er: Solche Dinge passieren eben. Sofort erschien ein Developer, um sich meine Wohnung anzusehen. Aus meinem großen Zimmer, den zwei mittelgroßen, den beiden kleinen und der geräumigen Küche sollten zwölf Zimmer werden; mein großes Zimmer allein sollte vier ergeben. Bald würde ich fort sein und an die jungen Australier denken, die dann, in diese Zellen eingepfercht, hier lebten, denn die ganze Gegend – Earls Court – sollte zu Klein-Australien werden.
    Und wo sollte ich leben? 1958 , neun Jahre nach meiner Ankunft in London, hatte ich zwar regelmäßige Einkünfte, aber diese lagen immer noch nicht über dem Durchschnittslohn eines Arbeiters, der damals, glaube ich, zwanzig Pfund pro Woche betrug. Die unbekümmerte Letzten-Endes-kommt-schon-alles-ins-Lot-Einstellung zu Geld, die immer meiner Lebensweise entsprochen hatte, erwies sich in diesen Zeiten, wo ich einen Ort zum Leben brauchte, als sehr nachteilig. Wie jedermann weiß, sind die Einkünfte von Schriftstellern vom Zufall abhängig, und man weiß nie, was man im nächsten Jahr verdienen wird. Ich erinnere mich, wie mich ein Steuerbeamter in Joans Haus aufsuchte und fragte: »Weshalb haben Sie Ihre Steuern nicht bezahlt?« Ich erklärte ihm, dass ich im Vorjahr genug verdient hätte, um Steuern zahlen zu können, aber nicht in diesem Jahr, in dem mein Verdienst sich lediglich auf dreihundert Pfund belaufen habe. Er war sehr nett, fand Möglichkeiten, mich hindurchzulavieren, aber wie allen Gesetzesvertretern und Aufsichtsbeamten flößte ihm meine ungesicherte Lebenssituation Unbehagen ein, und er fand, dass ich mich nach einem regelmäßigen Einkommen umsehen sollte, vielleicht als Sekretärin.
    Inzwischen hatte ich Möglichkeiten, Geld auch auf andere Weise als durch das Schreiben von Romanen und Geschichten zu verdienen: Radio und Fernsehen lockten. Aufs Ganze gesehen, widerstand ich ihren Schmeicheleien. Damals glaubten wir, dass Schreiben für Geld gleichbedeutend war mit dem Verkauf der Seele, dem Verwässern des kostbaren Honigs, dem Beleidigen der Muse, die einen dafür bestrafen würde, indem sie es einem unmöglich machte, den Unterschied zwischen guten und schlechten Texten zu erkennen, sodass man als Schreiberling endete. Wir hatten recht, aber heutzutage ist das Klima derart, dass man zögert, diese altmodischen Ideen überhaupt auch nur zu erwähnen. Und wir glaubten immer noch, dass ein Autor ein stilles Leben führen und kein Aufsehen erregen sollte.
    Meine Mutter hatte mir tausend Pfund hinterlassen. Darüber hinaus ein Haus in einem Vorort von Salisbury, das sie vermietet hatte. Ich schrieb meinem Bruder, dass ich meinen Anteil an dem Haus nicht wolle, er könne es haben. Ich wusste, die Aufteilung des Hauses und des Mobiliars hätte zu Problemen und

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