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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Tisch und ein paar Stühle mit. Und die Bücherschränke. Mein Schlafzimmer war eine Zelle. Drei Wände waren grellrosa, die Kaminwand mit neckischen Vögeln dekoriert. Ich strich das Zimmer weiß, eine Arbeit von einem Vormittag, da es so klein war. Den Kamin, so grässlich, dass ich kaum aufhören konnte, auf ihn zu starren, strich ich in einem dunklen Pflaumenblau – der vergebliche Versuch die Vögel verschwinden zu lassen. Noch heute werde ich gefragt: »Erinnern Sie sich, wie Sie Ihr Schlafzimmer schwarz gestrichen haben?« Ich glaube, die Analogie hierzu ist, wenn ein Maler einen kleinen Klecks Rot auf seine Leinwand setzt und man selbst nicht sonderlich genau hingeschaut hat, dann denkt man: das Bild mit all dem Rot darin. Das einzig Hübsche an diesem Zimmer war ein großes Fenster mit wunderschönen dunkelblauen Vorhängen, und sie sorgten für ein gutes, beruhigendes Licht. Ich nähte alle Vorhänge auf meiner alten Singer-Nähmaschine selbst.
    Ich fand, die geringe Miete und das Wohnen in dieser Gegend machte jede Hässlichkeit wett, aber Peter hasste die Wohnung. Er hatte auch die in der Warwick Road gehasst. Sobald wir in die neue Wohnung eingezogen waren, flehte er mich an, ich solle mir ein Haus kaufen. Er wollte Sicherheit. Ein Haus bedeutete Sicherheit. Auch die Bank drängte mich, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Erstaunlich, denn in den anderen europäischen Ländern gibt es das nicht. In Großbritannien ist man ein guter Bürger, wenn man eine Hypothek hat, und die Banken lächeln. Ich hatte Angst, regelmäßige Verpflichtungen einzugehen, und außerdem musste ich das Schulgeld aufbringen. Peter war jetzt im Internat. Er war zwölf, als er hinging. Mir war nicht wohl dabei, als ich ihn anmeldete, weil ich mich daran erinnerte, wie mir zumute gewesen war, als ich ins Internat kam, aber zwölf Jahre sind nicht sieben. Und letzten Endes war es eine gute Entscheidung. Viele Kinder, die todunglücklich sind, wenn sie mit sechs oder sieben Jahren in ein Internat geschickt werden, fühlen sich dort wohl, wenn sie älter sind.
    In dem Gebäude in der Langham Street lebten zwei Prostituierte, aber das fiel mir nicht auf, bis Clancy es mir sagte. Beide entsprachen den gängigen Klischees, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise. Die eine war eine mollige kleine Blondine, und in ihren Zimmern wimmelte es von rosenroten Winkeln, rosa Vorhängen, rosa Puffs, rosa Daunendecken, koketten Puppen und Plüschtieren. Sie pflegte an der Tür auf mich zu warten, um mich überfallen und sich über Helen beschweren zu können. Ich habe sie in einer Geschichte mit dem Titel
Mrs. Fortescue
porträtiert. Helen war dunkelhäutig, mit schwarzem Gauguin-Haar und dunklen Augen, die erfüllt waren von dem wissenden »Zweifel«, den Clancy und andere Amerikaner, die ich kannte, so schätzten. Dieser »Zweifel« einer Frau signalisierte, dass sie Bescheid wusste, auf sich aufzupassen verstand, und das bedeutete Schadensbegrenzung für beide Partner. Ich brauchte amerikanischen Besuchern gegenüber nur zu erwähnen, dass zwei von den »Mädchen« im Haus wohnten, und schon hatten sie das Gefühl, der Quelle wahrer Erfahrung nahe zu sein. Ich mochte Helen, und wir wechselten freundliche Worte. Sie war, so erzählte man mir, eine gute Freundin von Howard Samuels gewesen, als er ein einsamer und verlorener junger Mann war, und das war der Grund dafür, dass sie die beste Wohnung im Gebäude hatte und weshalb er sich immer um sie kümmern würde. Manchmal konnte man unten auf der Straße vor dem Haus sehen, wie eine alte Hure, die aussah wie ein Terrier mit einer Schleife um den Hals, und eine träge, elegante, dunkle, welterfahrene Hure mit kalten, missbilligenden Blicken aneinander vorbeigingen.
    Die Straßen um die Langham Street herum erweckten Neugier und luden zu gemächlichem Herumschlendern ein. Hier war das Zentrum des Konfektionshandels. Man konnte, wenn man in die Souterrainwohnungen hinunterschaute, halb unterirdische Räume voll schlecht bezahlter Frauen sehen, die auf ihren Nähmaschinen Kleider und Blusen fertigten. Aber den größten Teil dieser Arbeit hatte man anderswohin verlagert. Die Geschäfte waren Großhandlungen, die nicht Einzelkunden, sondern Einkäufer anzogen, und wenn man hineinschaute, sah man Szenen intensiven Feilschens. Diese Branche war fast ausschließlich jüdisch, und es gab ein Restaurant für die Händler. In der Warwick Road war das billige Essen indisch gewesen, aber hier war es

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