Schritte im Schatten (German Edition)
unerfreulichen Auseinandersetzungen geführt. Ich schrieb ihm auch, dass ich von den Fotos, den Kästen voller Silberbesteck, den silbernen Serviertabletts nichts haben wolle. Das war ein schwerer Fehler, nicht zuletzt deshalb, weil mein Bruder diesen Sachen so wenig Wert beimaß, dass er, als ich ihn viele Jahre später danach fragte, nicht einmal wusste, wo sie geblieben waren; er hatte vergessen, wo, um das Englische zu betonen, das große Silbertablett in dem alten Farmhaus auf dem (aus Benzinkisten gebauten) Schreibtisch gelegen hatte oder wie die Fotos in ihren silbernen Rahmen neben den kannelierten Silbervasen für Wicken gestanden hatten – neben Pflugteilen und Steinbrocken, von denen mein Vater hoffte, dass sie Gold enthielten.
Ich würde imstande sein, eine bescheidene Miete oder eine Hypothek aufzubringen. Ich stürzte mich in eine dieser Perioden täglicher Wohnungssuche, die mich in so viele Teile Londons geführt haben, dass ich kaum durch irgendeine Straße gehen kann, ohne denken zu müssen: »Da, dieses Haus habe ich mir angesehen; ich hätte schon die ganze Zeit hier wohnen können.«
Zwei Bauwerke stechen aus dieser Zeit hervor. Das eine war ein Haus in der Flood Street, Chelsea, in dem es zwei Stockwerke mit verblichenen, zerbröckelnden, schäbigen und verstaubten Zimmern gab. Es war billig, aber obwohl in der Flood Street so viele berühmte Leute gelebt hatten, deprimierte es mich. Ich würde abermals Wochen mit Malerarbeiten, Reparaturen und Färben verbringen müssen, und außerdem war da der Name Flood (Flut) – die Themse floss am unteren Ende der Straße vorbei. Das andere Haus stand am Royal Crecent am Holland Park, damals alles andere als die vornehme Gegend, die es heute ist. Es hatte einen Bombentreffer erhalten oder sah jedenfalls so aus. Das Haus war sauber und frisch gestrichen. Aber weshalb war es so billig? Ich war versucht, es zu kaufen, sagte, ich würde wiederkommen, aber als ich die Pforte passierte, winkte mich die Frau aus dem Nebenhaus heran und sagte mir mit leiser Stimme – mit einem Auge auf den Makler, der missmutig dabeistand –, wenn ich das Haus kaufte, würde ich binnen eines Jahres bis über beide Ohren in Schulden stecken: Wände und Decken seien von Trockenfäule und Schwamm befallen, und die Handwerker hätten einfach alles abgekratzt und weiß überstrichen.
Mein Verleger rettete mich. Inzwischen hatte ich zwei Verleger, was damals nicht so alltäglich war, wie es bald werden sollte. Da ich Geld brauchte, hatte ich um einen Vorschuss für einen Band mit Kurzgeschichten,
The Habit of Loving
, gebeten, aber Michael Joseph wollte ihn mir nicht geben. Das war dumm von ihm, denn der vorausgegangene Band,
This Was the Old Chief’s Country
, war gut gelaufen und verkaufte sich immer noch. Tom Maschler, noch bei McGibbon & Kee, wartete nur auf eine derartige Chance und gab mir das Geld; ich vermute allerdings, dass Howard Samuels – der Besitzer des Verlags – konsultiert worden war. Howard Samuels war Millionär, aber kein gewöhnlicher Millionär, denn er war Sozialist, ein enger Freund von Aneurin Bevan, und er unterstützte die
Tribune
, das Organ des linken Flügels der Labour Party. Er hatte sich selbst hochgearbeitet, und die Verlegerei war nach der Politik seine wahre Leidenschaft. Ihm gehörten die Holbein Mansions in der Langham Street, nahe der BBC . Er bot mir für fünf Pfund pro Woche eine Wohnung darin an. Das war eine sehr niedrige Miete, nicht nur für diese Gegend – nur einen kurzen Fußmarsch vom Theaterbezirk, Soho, der Oxford Street, Mayfair, dem Fluss entfernt –, sondern für damals sämtliche Gegenden Londons. Die Wohnung war winzig, sechs kleine Zimmer, und das Gebäude war hässlich und hatte ein nacktes graues Treppenhaus aus Beton. Im vierten Stock gelangte man durch die Wohnungstür auf einen schmalen Korridor, der die Wohnung durchschnitt. Der Tür gegenüber lag eine winzige Küche, dann kam das Badezimmer mit einer klappernden und zischenden Gastherme und zwei weitere kleine Zimmer auf dieser Seite. Hin zur Straße befanden sich mein winziges Schlafzimmer und ein größerer Raum, das Wohnzimmer. Es gab keine Möglichkeit, die Wohnung mehr als gerade eben noch so erträglich zu machen. Sowohl Clancy als auch Tom Maschler halfen mir beim Umzug. In der Warwick Road standen viel zu viele Möbel, also verschenkte ich sie an jemanden, der schlecht genug dran war, um sie haben zu wollen, und nahm nur zwei Betten, einen
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