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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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so gaben sich die Männer hier üblicherweise; das alles zerstörte das Mädchen und machte sie, die Männer, zudem noch lächerlich. Der Wirt zerrte sie weg und beschimpfte sie, während sie nur kicherte. Sie verlor ihren Job, wurde dann aber Barfrau in einem Lokal, in dem ihr Sinn für Humor ein Gewinn war.
    Ein anderes Restaurant in der Nähe meiner Wohnung war der Spanish Club, den ich mir damals unmöglich hätte leisten können, aber Howard Samuels pflegte seine Autoren dorthin einzuladen. Der Club bestand nur aus glänzend dunkelbrauner Täfelung und rotem Leder, sehr maskulin, sehr schwer im Stil. Dort saßen Howard Samuels und Aneurin Bevan und Jenny Lee [28] und die Linke der Labour Party – aber nicht die Neue Linke – oft stundenlang bei solidem spanischem Essen und tranken Pfirsichschnaps. Howard liebte es, den Gastgeber zu spielen. Er war ein gut aussehender, gefühlsbetonter, lebhafter Mann, und solch ein Mann muss ganz einfach einen Sancho Pansa haben, und hier war er, Reginald Davis-Poynter, bei McGibbon & Kee seine rechte Hand. Reggie war ruhig, vernünftig, groß und freundlich, und er kümmerte sich um Howard. Und auch um mich, seine Autorin, jedenfalls solange ich das war, das heißt, bis Tom Maschler ging.
     
    Und nun zu der Zeit als ich eine Frau in mittleren Jahren war, die im Spirituosenladen literweise Whisky kaufte – widerwärtig.
    Als ich in die Langham Street zog, hatte das keinerlei Ähnlichkeit mit dem Umzug in die Warwick Road, wo ich so töricht gewesen war zu glauben, dass ich dort mit Jack zusammenleben würde. Clancy und ich gingen auseinander – wir taten das bereits seit Monaten, man könnte auch sagen, von dem Moment an, in dem wir uns kennenlernten. Zum einen hatten wir so wenig gemeinsam. Und er hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er sein eigenes Leben führen und andere Frauen haben wollte. Aber das, was mein Verstand wusste, lief auf der Ebene der Intelligenz ab, also auf einem weit von jenen Tiefen entfernten Niveau, bis zu denen meine Emotionen – nein, dies ging tiefer als Emotionen oder Gefühle – reichten. Wieder wurde ich fortgezerrt wie ein Fisch an der Angel. Mit Clancy begegnete ich meinen Extremen, hatte es von Anfang an getan, und das hatte wenig mit Clancy als Person zu tun. Das lag zum Teil daran, dass er in einer Phase des »Scheiterns« steckte – wieder dieses nützliche Wort, das ich hier nicht definieren will. Ich habe es im
Goldenen Notizbuch
beschrieben (nicht definiert). Man kann nicht mit jemandem zusammenleben, der »scheitert«, und sei es auch nur auf beiläufige, anspruchslose Art, ohne selbst hineingezogen zu werden, selbst wenn das nur in der Einbildung geschieht. Es war die alte Geschichte des Mitgezerrtwerdens, willenlos. Es war dasselbe Gefühl, das ich hatte, als ich zum ersten Mal heiratete, 1939 , unter dem Klang der Kriegstrommeln. Ich schien keinen eigenen Willen zu haben; mein Verstand verfolgte, was ich tat, aber ich war hilflos. An der Oberfläche besagte mein Verhalten: »Oh nein, Clancy und ich sind gute Freunde; das ist jetzt alles.« Und wir waren gute Freunde. Aber darunter war ich die betrogene Frau, die im Stich gelassene, ich litt und trauerte und schleppte mich herum, mit gerade so viel Willenskraft, dass ich mich in Gang halten konnte, und die Tatsache, dass ich mich dabei auch noch selbst verachtete, machte alles nur noch schlimmer.
    Und da war Peter, der, anstatt zu kommen und zu gehen, wie er es getan hatte, als er noch in London zur Schule ging oder über längere Zeit hinweg zu Hause war, jetzt im Internat war und feste Ferienzeiten hatte. Mir war, als wäre das der Anfang vom Ende. Peter war die einzige Konstante in meinem Leben gewesen, mein innerer Halt, an dem ich durch dick und dünn festgehalten hatte – was natürlich der Grund dafür ist, dass er von zu Hause fortmusste, weil das nicht gut für ihn war – aber jetzt war er nicht mehr da.
    Ich arbeitete schwer – es war
Das goldene Notizbuch
 –, weil es nie eine Zeit gegeben hatte, wo ich das nicht getan hatte, und traf mich mit Freunden und Bekannten. Aber die ganze Zeit über wurde ich von etwas Dunklem, Unsichtbarem mitgezerrt.
    Und da war noch etwas. Clancy hatte beschlossen, einem Arzt zu vertrauen, der große Dosen LSD verschrieb. Er behandelte seine Patienten nicht im Krankenhaus; sie erschienen morgens in seiner Praxis, erhielten eine Dosis – und wurden am Abend gegen sechs wieder hinausgeworfen, das heißt, während

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