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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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geheißen oder auch nicht, erregten die Aufmerksamkeit der Weltpresse, die überwiegend feindselig berichtete, gewannen Freunde, lernten, hatten eine gute Zeit – Leute, die sich sonst nie begegnet wären. Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Journalisten, Lehrer, Gärtner, Politiker, alle nur erdenklichen Leute trafen sich, marschierten zusammen, unterhielten sich – und blieben oft auch hinterher Freunde. Welcher andere gesellschaftliche Prozess, vom Krieg einmal abgesehen, könnte eine solche Vermischung scheinbar inkompatibler Menschen bewirken? Noch heute treffe ich Leute, neben denen ich vor so langer Zeit auf einem der Märsche hergelaufen bin oder die sagen: »Ich habe den und den Professor von einer amerikanischen Universität kennengelernt, und daraufhin habe ich vier Jahre dort verbracht.« Oder: »Ich habe meine Frau bei dem Marsch von 1959 kennengelernt.«
     
    Eine Zeit lang traf ich ziemlich oft mit Joshua Nkomo zusammen, der heute einer der führenden Politiker in Simbabwe ist. Er absolvierte die für künftige afrikanische Führer obligatorische Zeit in London, lebte von der Hand in den Mund und machte sich Sorgen über die Zukunft. In seinem Fall mit gutem Grund, denn er sollte in Südrhodesien zehn Jahre in einem Internierungslager verbringen, das, ohne Bücher und Zeitungen, so öde und grauenhaft war, als wäre er zu einer Gefängnisstrafe auf dem Mond verurteilt worden. Aber damals machte ihm etwas anderes zu schaffen: Er wurde als Verräter gebrandmarkt. Der Grund dafür war, dass zu jener Zeit die »Moralische Aufrüstung« Afrikaner umwarb, die vielleicht einmal Führer werden würden, und er hatte ein paar Tage in ihrer Zentrale in Caux in der Schweiz verbracht. Er konnte nicht begreifen, was daran falsch sein sollte. »Aber das sind gute Leute. Sie haben mich gut behandelt. Und ich bin auch religiös.« Ich erklärte ihm die Feinheiten der Situation. Er sagte, er hasse die Politik. Was er sich wünsche, sei, seinen eigenen Laden in seinem Dorf zu haben und mit seiner Familie zusammenzuleben. Er hatte Heimweh und fühlte sich in London verloren und einsam. Joshua war nicht der einzige afrikanische Führer, der mir seine Ambitionen anvertraute. Er war ein großartiger Redner und war deshalb von der Politik vereinnahmt worden. Ich hatte schon lange vorher von ihm gehört; damals begeisterte er in Bulawayo die Massen mit Reden, auf einer Seifenkiste stehend.
    Ich war natürlich nicht die einzige Frau, die Joshua Ratschläge erteilte und ihn unterstützte. Wir telefonierten miteinander und diskutierten über knifflige Probleme; das wichtigste war, dass wir alle das Gefühl hatten, dass Joshua seinem Wesen nach nicht zum Politiker geeignet war. In meinem Leben hat es Zeiten gegeben, in denen ich so etwas als Kritik empfunden hätte, aber jetzt tue ich das nicht mehr.
    Joshua wurde zum Beispiel von unserem Geheimdienst verfolgt. Er kam völlig aufgelöst zu mir, um mir zu erzählen, dass er bei einer Versammlung gewesen sei, dort sei ein Mann an ihn herangetreten, habe ihn in ein Privatzimmer mitgenommen, ihm einen Koffer voller Papiergeld gezeigt und gesagt, das ganze Geld werde ihm gehören, wenn Joshua ihm alles erzähle, was er über die Araber wisse – wieder kommen die Araber ins Spiel, eine ebensolche Absurdität wie im Fall des bereits erwähnten Cousins von Babu Mohammed. Joshua war nie mit irgendwelchen Arabern zusammengekommen. Ich erzählte ihm, dass unser Geheimdienst von den Arabern geradezu besessen sei. Man habe mich des Umgangs mit Arabern beschuldigt, und ich sei gleichfalls nie einem begegnet. Das Problem war, dass Joshua bitterarm war. Ihm all dieses Geld zu zeigen, war grausam. Ich sagte leichthin, er hätte das Geld nehmen sollen und dann bestreiten, dass er es je bekommen habe. Dieser Scherz bewies, wie weit ich von seiner harten Realität entfernt war; er hatte fürchterliche Angst. Dieser Agent, wer immer er auch gewesen sein mag, vermutlich ein Mann vom MI 6 , tauchte mehr als einmal auf, mit Geldversprechen und auch mit Drohungen.
    Nachdem ich mich telefonisch mit anderen Mentoren beraten hatte, schrieb ich an einen Freund und bat ihn um Aufklärung über Joshuas Begegnung mit der Welt der Geheimdienste. Und jetzt kommt eine kleine Geschichte, die ebenso gut ist wie ein Vortrag über nationale Ethik. Der Vater meines Freundes – nennen wir ihn John – war ein Opfer der Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren gewesen, und deshalb hatte John eine

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