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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Ich hatte keine Ahnung von der Vielfalt der Stücke, die gespielt wurden. Das war lange vor dem Fringe-Theater und den vielen Inszenierungen und Shows in den Pubs. Manche Form von Stück ist inzwischen völlig verschwunden, so zum Beispiel bestimmte Arten von Farcen wie die Whitehall-Farcen, gekonntes, brillantes Theater. Ich nehme an, ihr Publikum gibt sich heute mit dem Fernsehen zufrieden. Es gab damals bei Weitem noch nicht so viele Musicals. Am Ende dieser sechs Wochen war ich überzeugt, dass einige Kritiker die Inszenierungen nicht so besprachen, wie es deren Klasse und Charakter entsprach, sondern sich herablassend über Stücke äußerten, die zwar auf ihre Art gut, aber nicht für ein anspruchsvolles Publikum gedacht waren. Es ist doch unsinnig, wenn man etwas wie
Carry on, Nurse
so bespricht, als wäre es ein gescheiterter Versuch,
Hedda Gabler
zu inszenieren.
    Es konnte einem das Herz brechen. Ken starb grauenhaft und viel zu jung an einem Emphysem. Meine Gefühle über seine stets als bedrohlich empfundene Brillanz erwiesen sich als gerechtfertigt. Ein schwacher Trost. Es gibt Leute, deren Tod eine unausfüllbare Leere hinterlässt.
     
    John Osborne. Er steckte ebenso in einer im Scheitern begriffenen Ehe wie Ken. Ich saß in einem Restaurant beim Essen, mit John, Mary Ure und … wem? Es war eine vierte Person dabei. John hackte während des Essens ständig auf der schönen Mary herum, die in Tränen aufgelöst war. Eine Szene genau wie die zwischen Jimmy Porter und Alison, die Mary erst kürzlich gespielt hatte.
    Ich kannte drei von Johns Frauen. Penelope Gilliat besser als die anderen. An einem Essen in der Gilliat-Wohnung in Mayfair nahmen John Osborne teil, seine Geliebte Jocelyn Rickards, Ken Tynan und eine seiner Geliebten. Auch Clancy war dort; wir hatten uns zwar getrennt, wurden aber oft zusammen eingeladen. Eine Zeit lang war Clancy, ob es ihm gefiel oder nicht, ein Teil der Londoner Schickeria. Die Gilliat-Ehe ging in die Brüche, die Osborne-Ehe war bereits zerbrochen. Penelope war mehr als nur hübsch, sie war schön, die klassische rothaarige Schönheit: milchweiße Haut, grüne Augen, schlanke Figur. John war auf die Art in sie verliebt, wie manche Männer verliebt sind – also so, als würden sie sich auf einen Zahnarztbesuch gefasst machen. Doktor Gilliat schätzte und bewunderte ich sehr; er war ein stiller Mann, der zusah, wie ihm seine Frau entrissen wurde, sich aber nicht anmerken ließ, was er dabei empfand.
    Bei diesem Essen gratulierte mir Penelope zu meinem Unternehmungsgeist beim »Sammeln von Material« für
Auf der Suche
, das damals gerade erschienen war. Ich gab zur Antwort, ich hätte kein Material
gesammelt
, es seien ganz einfach die Umstände gewesen. Ich hatte praktisch kein Geld gehabt, musste für ein kleines Kind sorgen, und die einzigen Leute, die sich bereitfanden, mich und ein kleines Kind aufzunehmen, waren diese warmherzigen Italiener in der Denbigh Road. Penelope war immer reich gewesen. Ich war wütend. Dieser Vorfall markierte die Ursache, weswegen ich mich in diesen Kreisen gelegentlich sehr unbehaglich fühlte, während ich bei, sagen wir, den Leuten vom Royal Court zu Hause war: Keinem von diesen hätte ich eine Erklärung liefern müssen.
    Später lernte ich auch Jill Bennett kennen. Ich dachte damals und denke noch heute, dass jede Frau, die sich gestattet, John Osborne zu lieben, verrückt sein muss. Dennoch waren alle seine Frauen bemerkenswert, und alle trauerten ihm nach, wenn er ihnen den Laufpass gegeben hatte. Mein Urteil ist das einer Nichtkombattantin. Zu mir war er nie anders als höflich und liebenswürdig. Immer freundlich. Gentleman John, das war seine wahre Natur – und dann zwang ihn etwas Tiefes und Gehässiges, Gift zu verspritzen.
    Ich fühlte mich John verwandt, dieser Qualen wegen, die von einem »Abszess« tief drinnen zu kommen schienen. Ich verstand das Pochen des Schmerzes, das einen reizbar macht. Ich bin ein- oder zweimal mit John zum Essen in Jocelyn Rickards Haus gewesen. Nach Mary Ure, aber vor Penelope Gilliat. Das bringt mich auf den Gedanken, dass die Herrschaft von Geliebten oft sicherer ist als die der Ehefrauen. Zumindest war Jocelyn diejenige seiner Frauen, für die er noch gute Worte fand, nachdem sie sich getrennt hatten. Tony Richardson war auch dabei. Dies war die Zeit der Woodfall Productions. Sie arbeiteten an ihren Filmen und verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Die beiden Männer waren reizbar,

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