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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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seine Frau für fünf Pfund ein Cottage ohne fließendes Wasser, Strom, Telefon, Heizung und Toilette in Essex gekauft hatten. Ein Paradies im Sommer, aber im Winter? Dort lebten sie jahrelang in tiefster Armut. Dann kamen Cottages in Essex in Mode …
    Kurz nach meiner Rückkehr aus der Sowjetunion gab es den letzten der großen Nebel. Man konnte wahrhaftig nicht die Hand vor den Augen sehen. Naomi hatte zu einem Wiedersehen der Angehörigen der Delegation eingeladen, in der Wohnung der Mitchisons am Embankment. Ich stand auf der Straße, unfähig, mich zu bewegen. Ich hatte mich verirrt, der Nebel schlug über mir zusammen wie schmutziges Wasser. Plötzlich stieß ein Mann mit mir zusammen. Es war ein sowjetischer Funktionär, Surkow [4] , glaube ich, hellauf begeistert von dem Nebel, weil alle Ausländer Dickens’ Nebel liebten und noch heute sagen: »Ihre fürchterlichen Londoner Nebel …« – »Aber die gibt es nicht mehr, jetzt haben wir das Clean Air Act.« Enttäuschung beim Gegenüber. Machtvolle Symbole lassen sich eben nicht so einfach aus der Welt schaffen.
    Solange ich der Kommunistischen Partei angehörte, ging ich nicht zu den gewöhnlichen Versammlungen. Viele Jahre später, als ich keine Kommunistin mehr war, wurde ich eingeladen, zu einer Ortsgruppe der Kommunistischen Partei zu sprechen, die sich in einem Haus in einer der ärmlichen Straßen Südlondons traf. Ich war entsetzt. Ein Zimmer voller Versager und Unangepasster, die sich hier zusammendrängten, weil die Partei für sie einen Club darstellte, ein Zuhause, eine Familie. Das eigentlich Herzzerreißende aber war, dass da auch die Dorf-Hampdens und die ruhmlosen Miltons saßen, viele davon Autodidakten, mit originellen und kritischen Gedanken über jedes nur denkbare Thema der Welt außer über den Kommunismus.
     
    Der Besuch bei einer Parteiversammlung in Paris verlief völlig anders. Ich teilte King Street mit, dass ich nach Paris fahren und mich darüber informieren wollte, wie es bei der Kommunistischen Partei Frankreichs aussah. Mir wurde bedeutet, ich solle mich mit Tristan Tzara in Verbindung setzen. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei. Ein netter Mann. King Street musste die Erlaubnis der hohen Tiere bei den französischen Kommunisten einholen, die Tristan Tzara instruierten. Die Untergruppe am linken Seineufer wurde angewiesen, mich zu empfangen, aber nur unter der Bedingung, dass ich mich bereit erklärte zu gehen, sobald sie damit anfingen, taktische Probleme zu diskutieren. Wir aßen zusammen zu Mittag und redeten ausschließlich über Politik. Das also war der Kommunist Tzara, keine Spur von dem zügellosen Surrealisten Tzara. Ich fragte ihn, was die Gruppe der Kommunistischen Partei am linken Seineufer denn befürchte? Dass ich sie alle auffliegen ließe? Das fand er nicht besonders amüsant. Ich sagte, in Großbritannien sei es üblich, dass jemand, der daran denke, der Partei beizutreten, einfach bei einer der Versammlungen auftauche, um herauszufinden, ob sie ihm gefalle. Aber Tristans Schweigen bestätigte mir, dass man französischerseits von den britischen Genossen nichts Besseres erwartet hatte. Ich ließ jedoch nicht locker: Was sprach dagegen? Er fragte, wie schützt ihr euch vor der Infiltration durch feindliche Elemente? Ich sagte, man kann unmöglich verhindern, dass Spione oder feindliche Elemente sich Zutritt verschaffen, wann und wo immer sie wollen, wenn sie dazu entschlossen sind. Er sagte mit gewichtiger Miene, da irrst du dich, Wachsamkeit ist unerlässlich. Diese Unterhaltung, klassisch für diese Art von Situation – und wie oft haben so viele von uns sie geführt? –, verhinderte nicht, dass Tzara und ich uns gut verstanden, aber er war offensichtlich von mir enttäuscht. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die französischen Kommunisten die britischen Kommunisten verachteten.
    Er nahm mich mit zu einem Haus in der Nähe des Boulevard St.-Germain am linken Seineufer, das damals gerade anfing, von Touristen frequentiert zu werden. Bewaffnete Posten an der Tür inspizierten uns, und dann wurden wir im Inneren nochmals kontrolliert – ich erhielt einen befristeten Ausweis. Wir traten in ein großes, ungemütliches Zimmer mit einem kleinen Tisch für die Funktionäre. Beinahe hundert Kommunisten hielten sich in dem Zimmer auf, und alle sahen sie wie Rekruten einer Armee aus, denn jeder trug zumindest ein militärisches Kleidungsstück, vermutlich aus Heeresbeständen. Zweifellos sahen sie

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