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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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der Society bedienen wollte. Er war damals oft sehr betrunken und destruktiv, und man kam aus diesem Grund überein, dass die Leute in New York vor ihm zu warnen seien. Ich war damals schockiert: Wo blieb das geheiligte Recht eines Künstlers auf anarchisches Verhalten – etwas in dieser Art. Aber heute denke ich anders, nachdem mir nicht wenige Dichter und Schriftsteller begegnet sind, die sich alles nur Erdenkliche herausnehmen und dann erwarten, dass andere Leute hinter ihnen aufräumen.
    Ein anderes Erlebnis, das man vermutlich kommunistisch nennen könnte, hatte ich, als ich mit Peter in den Schulferien in ein Hotel, das Dorothy Schwartz für Kommunisten führte, nach Hastings fuhr. In Oakhurst wurden Vorträge gehalten und Kurse veranstaltet. Ich fand das Hotel deprimierend. Es hatte die Atmosphäre des »Wir« und »Die da«, der Gläubigen gegen die ignorante Welt. Für jemanden, der an die Sonne und den weiten Himmel gewöhnt ist, ist es nicht leicht, Hastings zu mögen. Heute begegne ich immer wieder Leuten, Säulen der Rechtschaffenheit, von denen man nie geglaubt hätte, dass sie einst Kommunisten waren; aber sie waren damals in Hastings, hörten sich Vorträge an oder hielten welche. Einer von ihnen war ebenda sogar Kellner gewesen. Mich faszinierte, dass Aleister Crowley nur ein Stück die Straße hinunter in einem identischen Haus, Netherwood, gelebt hatte. In den zwanziger und dreißiger Jahren erlebten aufsehenerregende okkulte Gruppen in Großbritannien ihre große Zeit, und nicht alle ihre Mitglieder waren unbedeutend: Yeats zum Beispiel und die Anhänger von New Dawn. Selbst in den fünfziger Jahren stand Crowley noch im Ruf, fantastische, geheimnisvolle Leistungen vollbracht zu haben. Er endete als mitleiderregende Figur. Er war 1947 gestorben, aber in Hastings wurde immer noch von ihm geredet: »Soll ein Magier gewesen sein, stimmt’s? Weshalb hat er denn dann gelebt wie ein alter Landstreicher?« Dorothys Haus, das Hotel, galt als das Gebäude, das Robert Tressell zum Schauplatz von
The Ragged Trousered Philanthropists
inspiriert hatte. Das Wohnzimmer besaß eine wunderschöne Decke, und sie wurde allen Gästen als mögliche Arbeit Tressells gezeigt.
    The Ragged Trousered Philanthropists
, ein Klassiker über das Leben der Arbeiterklasse, war mehrmals aufgelegt worden, erstmals 1914 , aber nur in einer verderbten Textgestalt. Fred Ball, der sich viele Jahre mit Tressells Leben beschäftigt hatte, gelang es, das Originalmanuskript ausfindig zu machen und mithilfe von Freunden für 70  Pfund zu kaufen. Einige Leute bezweifelten zwar seine Echtheit, aber es war das Original. Es bereitete ziemliche Schwierigkeiten, die authentische Fassung zu veröffentlichen, da die entstellte noch auf dem Buchmarkt erhältlich war und mehrere Verleger der Überzeugung anhingen, der vollständige Text gliche zu sehr einem sozialistischen Traktat. Schließlich konnte Maurice Cornforth von Lawrence and Wishart, dem kommunistischen Verlag, dazu überredet werden, das Buch herauszubringen. Es verkaufte sich sehr gut. Jonathan Clowes, später ein bekannter literarischer Agent, arbeitete damals noch als Maler und Dekorateur. Er war ein Freund von Fred Ball, half ihm mit Ratschlägen und schaffte es, dessen Biografie zu Tressell bei Weidenfeld, einem normalen Verlag, unterzubringen. Lawrence and Wishart weigerten sich, die Biografie herauszubringen, weil Fred Ball herausgefunden hatte, dass Tressell vermutlich der Sohn eines gut situierten hohen irischen Beamten war, also nicht der Arbeiterklasse entstammte. Das war ungefähr zur gleichen Zeit, in der Joan Littlewood einen sehr großen Erfolg mit einem Stück über Bauarbeiter hatte,
You Won’t Always Be On Top
von Henry Chapman, von der Presse der Maurer aus Hastings genannt. Sehr zum Verdruss der Kulturkommissare der Kommunistischen Partei stellte sich heraus, dass auch Henry Chapman einer untadeligen Familie der Mittelschicht entstammte. [6]
    In dieser Zeit, in der sich jedermann für die Vorhut der Arbeiterklasse hielt, war der einzige Mensch, von dem ich wusste, dass er ein echter Vertreter dieser Klasse war, die Frau, die jede Woche einmal kam, um meine Wohnung zu putzen. Was mich am meisten an ihr interessierte, war, dass sie aufs Haar den schottischen Farmersfrauen glich, unter denen ich aufgewachsen war. Sie hieß Mrs. Dougall, war um die sechzig, dünn, blass, kränklich, nie ohne eine Zigarette. Wenn das Schicksal sie übers Meer nach Südrhodesien

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