Schritte im Schatten (German Edition)
Schriftstellern aus dem Westen zu begegnen. Sie fühlen sich isoliert.«
Ich war kaum wieder in London, als ich meinen Parteiausweis bekam und John Sommerfield an mich herantrat und mich aufforderte, der Schriftstellergruppe der Kommunistischen Partei beizutreten. Inzwischen bereute ich meinen Impuls, in die Partei einzutreten. Ich wusste, dass es eine neurotische Entscheidung war, denn was ihr zugrunde lag, war dieses hilflose Gefühl des Gezerrtwerdens, als wäre ich unter Drogen gesetzt oder hypnotisiert worden – ungefähr wie bei der ersten Heirat, weil die Kriegstrommeln geschlagen wurden, oder dem Kinderkriegen, obwohl ich beschlossen hatte, keine zu bekommen –, an der Nase gezogen wie ein Fisch an der Angel. Die Reise in die Sowjetunion hatte Emotionen aufgerührt, die weit über das Politische hinausgingen. Mein Denken und Fühlen lagen im Widerstreit miteinander. Ich war weit davon entfernt, zu begreifen, wie ich es heute tue, dass das »Unterstützen« der Sowjetunion lediglich die Fortsetzung der Gefühle meiner frühen Kindheit war – Krieg, das Verständnis für Leiden, Identifizierung mit Schmerz –, das Wissen um Gut und Böse. Das Einzige, was ich wusste, war, dass hier etwas tief Vergrabenes war, das mich plagte wie ein Albtraum.
Was ich
dachte
– meine Versuche, zu einer gelassenen Objektivität zu finden –, war etwas völlig anderes. Ich habe einem ehemaligen Parteifreund von einem Schlüsselerlebnis erzählt. Als wir uns von Oksana verabschiedeten, die so arm war, so angestrengt arbeitete, mit so wenigen Kleidern oder Schmuck auskommen musste, wollte ich ihr ein kleines vergoldetes Armband aus Ägypten schenken. Es war nichts Wertvolles. Sie wurde bleich vor … konnte es Entsetzen sein? Sicher nicht. Sie stammelte hektische, verängstigte Worte der Ablehnung. Wieso diese Panik, fragte ich meinen Freund. Er reagierte mit jener ärgerlichen Ungeduld, mit der wir Leuten zu begegnen pflegen, die Standpunkte vertreten, die wir gerade überwunden haben. Er war erst kürzlich aus der Partei ausgetreten. »Sei nicht so naiv. Wenn jemand sie mit diesem Armband gesehen hätte, wäre sie vom KGB – von dem sie natürlich täglich ihre Anweisungen erhielt – beschuldigt worden, sie habe sich von der dekadenten, bösen, kapitalistischen Welt des Westens bestechen lassen. Dafür hätte man sie in ein Arbeitslager schicken können.«
Und was war der Grund dafür, dass so viele der Schriftsteller, die wir kennenlernten, unbedingt über das britische Königshaus reden wollten? Sie konnten gar nicht damit aufhören, uns zu erklären, wie sehr unsere Queen sie interessiere, was für eine gute Institution das sei – natürlich nicht für sie, sondern für Großbritannien – und wie sehr sie uns bewunderten. Warum in aller Welt sollten sich Schriftsteller in der Sowjetunion für das britische Königshaus interessieren? »Schließlich«, lautete die Antwort, »konnten sie nicht rundheraus sagen, wie sehr sie den Kommunismus hassen. Sie sagten es indirekt, in der Hoffnung, dass ihr schlau genug sein würdet, das zu verstehen.«
The Writers’ Group
war nahe daran, unter dem Gewicht ihrer Widersprüche zu zerbrechen. Mit welcher Nostalgie ich mich doch dieses Jargons bediene … aber wie nützlich waren diese
Widersprüche
, die uns immer über die Lippen kamen, während wir versuchten, auf der Achterbahn jener Zeit nicht den Halt zu verlieren.
In der Gruppe waren bemerkenswerte Leute. Zuerst John Sommerfield. Er hatte im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft und ein Buch darüber geschrieben,
Volunteer in Spain
, in dem er verschiedene Kampfhandlungen beschrieb, an denen er teilgenommen hatte. Es war seinem Freund John Cornford gewidmet, der dort sein Leben gelassen hatte. Er hatte auch einen Band mit guten Kurzgeschichten unter dem Titel
Survivors
geschrieben. Er war ein hochgewachsener, schlanker Pfeifenraucher, der es zuließ, dass ihm surreale Diagnosen über die Welt, in der er lebte, über die niemals lächelnden Lippen kamen, während seine Augen darauf bestanden, dass er es todernst meinte. Ein Komiker. Er wusste alles über die englischen Pubs und hatte ein Buch über sie geschrieben. Er war es, der mich in die Clubs von Soho mitnahm, mir erklärte, deren große Tage seien vorbei, ihre Blütezeit seien die Kriegsjahre gewesen. Er war mit Molly Moss, der Malerin, verheiratet. Wie viele andere in dieser Zeit hatten sie kein Geld. Sie kauften für ein paar hundert Pfund ein kleines
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